In der Corona-Krise  –  Fontane  Der Stechlin


    Wie schon oben vermerkt: eine deutliche Abkühlung, dazu windig, habe einen längeren Spaziergang im Park und an Spielplätzen vorbei gemacht, wo es grösstenteils schon so zugeht wie in Zeiten ohne Corona. Die Erwachsenen scheinen sich keine Sorgen darum zu machen, dass ihre Kinder sich anstecken könnten, sie vertrauen offenbar ganz darauf, was die Wissenschaft, gestützt auf das, was die Virologen ihren Aussagen zufolge an Erkenntnissen gewonnen haben, zu suggerieren scheint: dass die Ansteckungsgefahr für sie gering sei. Ich selbst komme mir zwischen den Spaziergängern, den Joggern und den Kinder- wagen schiebenden Müttern mit meiner Ängstlichkeit, mit der ich, um wenigstens einen gewissen Abstand einzuhalten, möglichst zum Rand hin, nach rechts oder links, auszuweichen versuche, vor als einer, der ziemlich aus dem Rahmen fällt.

   Zum Stechlin: In den letzten Tagen macht sich bei mir eine gewisse Ermüdung bemerkbar, auch fehlt bei dem wechselhaften Wetter die Sonne als Anreiz zum Draussen-Lesen. Daher sass ich wieder verstärkt vor dem Computer-Bildschirm, entweder zum Fernsehen mit einem TV-USB-Stick, oder aber um vor Jahren mit ihm aufgenommene Filme wie auch zahlreiche Folgen amerikanischer Krimi-Serien von der Festplatte abzuspielen, die ich bis zu der HD-Umstellung teilweise von den Privaten aufnehmen konnte: Remington Steele, Magnum, Mord ist ihr Hobby, Diagnose Mord, The Closer, Castle, The Mentalist, Monk. Von einigen Serien, die ich regelmässig geguckt habe, Mission Impossible oder (in schwarz-weiss) Perry Mason, den ich vor zehn, fünfzehn Jahren, wenn ich von meinem Dreistunden-Kiosk-Job am späten Vormittag nach Hause kam, fast (werk)täglich angesehen habe, oder von der Cosby-Show, sowie von Friends und anderen – eine weitere, mit Don Johnson, nein, nicht Miami Vice, fällt mir noch ein: Nash Bridges – habe ich keine Mitschnitte, und nur wenige habe ich von Matlock gemacht, der zu der Zeit ebenfalls jahrelang lief – so bleibt mir nur wenig von dem mal etwas schrulligen, dann in den Gerichtsverhandlungen immer triumphal auftretenden Andy Griffith, dafür aber umso mehr von der betulich-tantenhaften Angela Lansbury in Mord ist ihr Hobby. Was soll's, es reicht, es ist eher ein "Zuviel des Guten" (oder auch des weniger Guten), ein mengenmässiges Über- angebot, das an die Grenzen meiner Aufnahmefähigkeit stösst. So stelle ich häufig fest, dass mir nach einiger Zeit bei einzelnen Folgen Einzelheiten der Handlung entfallen sind, was es andererseits immer wieder spannend macht, bis zu dem Punkt, wenn sich die Ahnung, wie es ausgeht ("who done it"), wieder einstellt.

    Es war zu einem guten Teil dieser Sog, ausgehend von Erinnerungen an eine Reihe von Erfahrungen eines vergangenen, um die zwanzig Jahre zurück- liegenden Lebensabschnitts, die mit solchen alten Seh-Erlebnissen verknüpft waren: mein kleiner Job in einem Kiosk dreimal in der Woche, die Kontakte mit Menschen, von denen einige, zum Teil etliche Jahre jünger als ich, inzwischen verstorben sind; es war wohl diese Rückwendung zu Vergangenem, eine gewisse Regression, die zumindest für den Moment mein Interesse vom Stechlin abgezogen hat. Es wird sich zeigen, d.h. ich muss abwarten, ob etwas von dem Antrieb, vielleicht auch angeschoben durch dieses Aufschreiben und vor allem angestachelt von einen noch vorhandenen Ehrgeiz, Es, d.h. das, was ich einmal angefangen habe, zum Abschluss zu bringen, noch einmal zurückkehrt.