Während Henry mit vor Liebe krankem Herzen, nacheinander mal bedrückt und dann wieder fröhlich,
für Momente angewidert und dann wieder trunken, weiterhin in jenem Haus lebte, dessen Mauern ihm, wenn er sich
ihm näherte, heisse Schwingungen entgegensandten, die sich im Einklang mit dem befanden, was er fühlte,
begann Jules, hebräisch zu lernen und bemühte sich ausserdem, griechische Texte zu lesen. Sein Tisch
war voll beladen mit Büchern: Geschichte, ein Atlas, Reisen, Alben über die Antike, Stiche nach grossen
Meistern, ein kleiner Band mit alten Gedichten, moderne Gelehrte in mehreren dicken Folio-Bänden. Er las das
nicht alles, sondern er verfiel darüber ins Träumen.
Da die Menschen, denen er sein Leid hätte anvertrauen können, ihn nicht verstanden hätten und ihm
gleichzeitig kluge Naturen, die Verständnis dafür aufgebracht hätten, fehlten, war er zu allerserst
genötigt, sich in eine völlige Einsamkeit zurückzuziehen und ganz für sich zu leben; so
vollzogen sich die aufeinander folgenden Phasen seines Daseins unter aller Augen, ohne dass man etwas davon bemerkte,
denn die grössten Wendungen dieses rein psycho- logischen Dramas vollzogen sich nicht ausserhalb der zwanzig
und und ein paar mehr Daumenbreiten seines Kopfumfangs.
Nachdem er seiner Illusionen noch jung an Jahren beraubt worden war und doch noch an sie glaubte, auf rauschende
Vergnügungen verzichten musste und er dessen überdrüssig war, von stillen Zerstreuungen zu
träumen, gelangte er eines Tages dahin, Mitleid mit sich selbst und all dem Wirrwar in seinem Leben zu
haben und sich zu wünschen, endlich aus diesem unsichtbaren Gefängnis, in dem er sich im Kreis
drehte wie ein Bär in seinem Käfig, auszubrechen. Da er des Denkens oder dessen, was er dafür
hielt, müde war, wollte er sich im Handeln erproben. So wollte er, keusch wie er war, auf einmal die
Begierde; als Bürgerlicher geboren, entstand in ihm der Wunsch nach Reichtum; vom Himmel als so sanft
erschaffen wie ein Lamm, ergötzte er sich auf einmal am Lärm der Hörner und sinnierte über
das Aufeinanderprallen von Armeen. Er frönte also allen Leidenschaften, stellte sich alle Gelüste,
alle Ansprüche, alle Begierden vor; sie tauchten nacheinander auf, schnell wie wilde Pferde, die nach
Herzenslust, wiehernd und mit im Wind flatternden Mähnen, durch die weite Ebene seines Herzens
galoppieren.
[... Auf den folgenden sieben Seiten unternimmt er eine weit ausholende Darle- gung seiner Lebenseinstellung,
angefangen mit seinem Verhältnis zum Geld, seines Frauenbildes, seines Männlichkeitsideals... mit geistigen
Höhenflügen in die Historie, zu Caligula, Cleopatra, Horaz, Cäsar, Antonius und Nero, zu Heliogabal,
Salomon und Semiramis, zu den Medici in Florenz und schliesslich zur Nachfolge Christi.]
Zu der Zeit, in der wir mit diesem Bericht angekommen sind, hatte er sein Leben in zwei Teile aufgeteilt; er
beschäftigte sich mit einer Geschichte der Migrationen aus Asien sowie mit der Zusammenstellung eines Bandes
mit Oden. Für seine Geschichte hatte er einen einfachen und brauchbaren Plan, er wollte sie in grossen
Abschnitten konzipieren, sie in sorgsam zusammengestellte Gruppen einteilen und das Ganze durch eine mächtige
und wahre Einheitlichkeit beherrschen; was seine Gedichte betraf, so bemühte er sich, ihren Rhythmus an
alle gedanklichen Sprünge anzupassen, es war ein farbiges Relief, voller packender Phantasien, eine
beflügelte Musik.