Die erste Éducation Sentimentale


    Denn sie wurde eifersüchtig, eifersüchtig auf Mlle Aglaé, auf Mlle Hortense, auf Mme Lenoir, auf Mme Dubois, eifersüchtig auf alle Frauen, auch wenn sie alt oder hässlich waren. Wenn sie zu ihr zu Besuch kamen, beschuldigte sie Henry, sie zu sehr angesehen oder zu viel mit ihnen gesprochen zu haben.
  – Du magst mich wohl nicht mehr? sagte sie, was habe ich dir getan?
  Und wenn Henry ihr mit hundert Zärtlichkeiten bewiesen hatte, dass sie sich zu Unrecht Sorgen machte:
  – Ich wollte nur sehen, ob du mich noch liebst, sagte sie, denn ich weiss doch dass du mich immer noch liebst.
    Sie bemühte sich auch seit einiger Zeit, öfter mit M.Renaud zu reden und die langen Unterhaltungen des Vorjahres wiederaufzunehmen; es war gut, sich bei ihm noch mehr Liebkind zu machen und ihn völlig zu umgarnen, um ihn leichter täuschen zu können.
  – Mich erniedrigen und vorgeben, ich sei sein Freund, antwortete Henry, niemals! es widert mich an; ist er im übrigen nicht dein Mann? du gehörst ihm.
  – Nein, ich gehöre dir, fuhr sie fort und umschlang ihn mit ihren Armen, dir und niemandem sonst.
  – Du hast ihm jedenfalls gehört... vor mir hat er dich gehabt, er hat dich als dein Meister besessen.
  – Nicht wie du, mein Freund, o nein! nicht wie du.
  – Was soll's! ich muss ihn hassen, du an meiner Stelle würdest es ebenfalls. Nun gut, ich hasse ihn, denn ich bin eifersüchtig auf diesen Mann; er kann dich lieben und es dir vor aller Welt sagen.
    Er verspürte tatsächlich auf ihn solche Regungen von Hass, die einen, wenn sie zu lange anhalten, zu grossen Wutausbrüchen treiben können; der Anblick des Vater Renaud, der ihm noch nie sympathisch war, missfiel ihm bis zum Übermass; die plumpe Vertraulichkeit dieses Tölpels, der seine Geliebte duzte und sie vor seinen Augen umarmte, widerte ihn an, ohne dass er sich auf ihn stürzen oder ihm in das Gesicht spucken konnte.

    Manchmal beschlichen Henry in der Tat schreckliche Zweifel; er stellte sich Émilie in ihrem Zimmer vor, wie sie jeden Abend, mit der Nachtlampe, deren Flamme flackernd durch das Porzellan drang und die weissen Vorhänge erhellte, wartete, dass er kam, und er mit angehaltenem Atem an der Wand entlang schlich und dass dort auf einmal an seiner Stelle der Vater Renaud auftauchte mit seinem unverschämten Lächeln und noch näherkam und sie auf die Lippen küsste. Dieselben Worte, die sie ihm sagte, so stellte er sich vor, konnte sie auch ihm, dem anderen Mann, sagen. Er rief sich ihre Zärtlichkeiten, ihre rauschhaften Verzückungen ins Gedächtnis zurück und er gestand sich mit Schrecken ein, dass all das so wie er auch jener haben konnte, dass er es vielleicht noch hatte und dass es für immer so andauern würde. Da wurde seine Seele von einer Wut gepackt, und er wühlte weiter in diesem bitteren Zweifel, danach lechzend, Objekte für seinen Hass und neue Foltern zu finden.
    Früher waren sie bei der Liebe ohne Befürchtungen und Ängste; ihrer selbst sicher gaben sie sich den Freuden der Liebe hin, ohne sich Gedanken über die Hindernisse und Gefahren zu machen; doch seit einiger Zeit wurden sie von plötzlichem Erschrecken erfasst, das sie erbleichen liess: das Knarren einer Tür, ein Geräusch von Schritten, der Wind in den Bäumen, die Luft, die durch das Schlüsselloch pfeift, all das erzeugte Angst in ihnen. "Er ist es! er ist es! sagten sie sich jedesmal, wir sind verloren!"