Freiwillig hatte er wie ein König, der am Tag seiner Krönung abdankt, für immer auf den
Besitz von allem, was man auf der Welt erringen und kaufen kann, verzichtet, auf Vergnügen, Ehrungen, Geld,
auf Freuden der Liebe und auf Triumphe des Ehrgeizes; er befahl seinem Herzen, seine Stürme einzustellen
und seinem Fleisch, den Stachel unschädlich zu machen; er studierte sowohl bei sich als auch bei anderen
das verwirrende Zusammenspiel von Leidenschaften und Gedanken; er erforschte sich mitleidlos, sezierte sich wie
einen Leichnam und fand dabei bei sich ebenso wie anderswo manchmal lobenswerte Motive für schändliche
Handlungen und niedrige Gesinnungen auf dem Grund von Tugenden.
Er wollte nichts gelten lassen, durchwühlte alles mit den Armen bis zu den Achseln, sah hinter die
Verkleidung der guten Gefühle, brachte die Hohlheit der Wörter zum Klingen, suchte in den
Gesichtszügen nach verborgenen Leiden- schaften und nahm ihnen die Masken ab, riss die Schleier weg,
entkleidete alle Frauen, drang in die Schlafzimmer ein, untersuchte alle Wunden und durch- forschte alle
Freuden. Daher behielt er nur wenige Illusionen, obwohl wir uns, werden Sie sagen, im klassischen Zeitalter
der Illusionen befinden; weder erträumte er sich eine übersinnliche Frau, noch träumte er von
einer Verbesse- rung der menschlichen Art, noch von andalusischen Liebschaften, noch von Gondelfahrten mit
Gitarrenklängen, auch nicht von einem Wesen, das sein Herz verstand, von einem Glauben, der seine Seele
verwandeln könnte, oder von anderem Unsinn, dem man in den Feuilletons begegnet.
Zweiundzwanzigstes Kapitel
– Hast du unsere Reisepässe, Henry?
– Ja, hier sind sie.
– Du hast auch nicht vergessen, dein Geld gegen englische Währung einzutauschen?
– Nein, nein, alles ist bereit, ein Koffer und ein Bettsack für die Nacht sollen uns in der
nächsten Stunde gebracht werden; da ich nicht wusste, ob du eine Hutschachtel hast, habe ich eine besorgt.
– Wie gut du bist, armer Freund!
Und sie legte ihre beiden Arme um seinen Hals und küsste ihn zärtlich, dann wich sie zurück und
betrachtete ihn liebevoll:
– Du denkst an alles, du siehst alles voraus, du bist stark und sanft, es kommt mir so vor, als
hätte ich in dir sowohl Vater als auch Mutter. Wo hast du nur all das, was du weisst, gelernt? stimmt es,
dass du dich noch nie in einer ähnlichen Lage befunden hast? ich, die älter ist als du, wenn ich an
deiner Stelle wäre, würde das alles nie schaffen.
– Es liegt daran, dass man mit der Liebe altert, sagte Henry lächelnd, halb erfreut und halb
mit einem bitteren Unterton
– Sie verjüngt im Gegenteil, warf Émilie ein, wobei sie fortfuhr, einige Frauenkleider
auf ihrem Bett zu ordnen und sie aufeinander zu legen.
Es entstand eine lange Pause, es fiel ihnen schwer, zu sprechen.