Erich Maria Remarque:  Arc de Triomphe


    Der Wagen hält vor dem Haus. Oben im Zimmer liegt Joan angezogen auf dem Bett, auf ihrem hochgeschlossenen Abendkleid sind Blutflecken, ebenso auf dem Fussboden. Da war sie gefallen, der Idiot hatte sie aufs Bett gelegt. Ravic streift vorsichtig das Kleid herunter. Sie ist am Hals getroffen, sie kann sprechen, hat starke Schmerzen. Er bereitet eine Spritze vor und fordert den Mann auf: "Rufen Sie Passy 2741 an, bestellen Sie eine Ambulanz, sie muss in ein Krankenhaus." Joan sagt: "Ich will nicht operiert werden. Ist es – " "Nein," sagt Ravic, "Harmlos." Er untersucht die Einschussstelle am Hals, sieht aber keine Austrittsstelle. Er legt einen Kompressionsverband an, sagt nicht, was er fürchtet. Die Ambulanz kommt, und während die Träger überlegen, wie sie die Trage mit Joan die Treppe hinunterbekommen, sagt sie überraschend klar: "Er ist ein Idiot. Natürlich wollte er nicht – wollte nur grosstun." Und mit einem fast verschmitzten Ausdruck in ihren Augen: "habe ihn – geärgert." Der Mann sagt, er werde sich der Polizei stellen, ob sie gefährlich verletzt ist. Ravic bestätigt das, er solle den Revolver mitnehmen und später wegwerfen.
    Nachdem er angerufen hat, dass alles für Joans Aufnahme vorbereitet wird, fahren sie mit ihr zu Vebers Klinik. Er beginnt mit seiner Arbeit, untersucht den Wundkanal und stösst auf Splitter. Er fühlt seine Stirn leer werden und richtet sich auf. Er sagt zu Veber: "Da, sehen Sie – der siebte Wirbel – ". Sie sind sich einig: Hoffnungslos. Da ist nichts zu tun. "Sie sehen, wo das Geschoss sitzt." Hier war nichts zu operieren. Sie überlegen, angesichts des Blutverlusts vom amerika- nischen Hospital Blut zu besorgen; es würde Joans Leben nur verlängern. Als sie aufwacht, fragt sie Ravic, ob er sie operiert hat. Er verneint, es sei nicht nötig gewesen, man habe nur die Wunde gesäubert. Er gibt ihr eine Spritze gegen die Schmerzen. Sie flüstert, sie wolle nicht leiden, ob er ihr verspreche – . Sie merkt, dass sie Arme und Beine nicht bewegen kann. Er versucht sie zu beruhigen, es werde zurückkommen. "Ich wollte gerade anfangen – anders zu leben – ", flüstert sie. Ravic erwidert nichts. Vielleicht war es wahr. Wer wollte das nicht immer?
    Mittags weiss sie es, sie wird ihre Beine nicht mehr bewegen, wird nicht mehr aufstehen können. Warum er sie belüge. Sie will kein Krüppel sein, wenn die Schmerzen zu stark werden, müsse er ihr genug geben, am besten genug für immer, das müsse er ihr versprechen. Ohne ihn wäre sie nicht mehr am Leben.
    "Damals – als du mich zuerst – du hast mir – dieses Jahr gegeben. Es war – geschenkte Zeit". Es sei ihre Schuld gewesen, warum sie nicht bei ihm geblieben sei. Er sagt, nein es war seine Schuld. Ihr Körper wird flacher, sein Widerstand schmilzt, sie treibt zwischen Schlafen und Wachen. Nach einiger Zeit sagt sie: "Zuviel Licht – es brennt – ". Ravic zieht die Vorhänge fest zu. "Du weisst – dass ich immer nur mit dir – alles andere war nur – Unruhe – ". Sie beginnt in der Sprache ihrer Kindheit zu sprechen: "Ti amo" – "Sono stata – sempre con te – " "Du warst immer mit mir", sagt Ravic und merkt, dass er plötzlich deutsch spricht. Sie hatten immer nur in einer geborgten Sprache miteinander gesprochen. "Baciami" sagt sie und er küsst ihre heissen, trockenen Lippen. "Du bist immer bei mir gewesen, Joan – immer".