Erich Maria Remarque:  Arc de Triomphe


    Er hatte eine Spritze vorbereitet gehabt. Sie sollte nicht qualvoll lange mit immer weniger Luft ersticken. Nachdem er ihr die Spritze gegeben hat, wird sie ruhig, und der Atem wird still. Er zieht die Vorhänge auf und geht zu Veber. "Nummer zwölf ist tot. Sie können die Polizei anrufen." – "Die Polizei hat jetzt mehr zu tun", antwortet Veber und weist auf eine Extra-Ausgabe des Matin: Deutsche Truppen sind in Polen eingebrochen. Veber hat Nachrichten, dass der Krieg noch heute erklärt werde. Er werde dann wohl zu seinem Regiment gehen. Ravic meint: "Dies wird dann mein letzter Tag hier sein." Wieso das, fragt Veber müde. "Man wird uns festnehmen, sobald der Krieg erklärt ist", antwortet Ravic.
    Als er geht, ist der Schauspieler immer noch da. Ravic sagt ihm, dass Joan tot ist, worauf der Mann taumelnd nach seinem Herzen greift. Verdammter Komödiant, denkt Ravic, er hat wohl schon ähnliche Rollen gespielt. Er will sie sehen. Er presst beide Hände gegen die Brust und hat Tränen in den Augen. Ravic sagt ihm, es sei besser zu verschwinden, er solle seine Sache mit sich selbst abmachen. "Raus, Sie Idiot!" Er gibt ihm einen Stoss zur Tür hin. Der Mann dreht sich um und sagt: "Sie gefühlloses Biest! Sale boche!"
    Die Strassen sind voller Menschen. Um allein zu sein, geht Ravic in den Jardin de Luxembourg. Er sitzt da bis zum Abend, dann geht er in die Klinik zurück. Veber fragt ihn, ob er noch einen Kaiserschnitt machen kann. Ravic begegnet der Schwester Eugénie, die ihn sonderbar ansieht; sie hatte ihn wohl nicht mehr erwartet. Er macht den Kaiserschnitt fast gedankenlos. Veber sagt, falls er wirklich in ein Internierungslager kommen sollte, dann solle er er es ihn wissen lassen, er würde ihn da herausholen. Ravic weiss, dass er es nicht tun wird. Er bittet Veber noch, für Joans Beerdigung zu sorgen. Er und Veber sagen sich Adieu und Ravic meint: "Es war eine gute Zeit mit Ihnen".
    Als er zum Hotel kommt, steht ein Lastwagen davor. Morosow winkt ihn aus einem Hauseingang zu sich. Er bietet ihm eine Identitätskarte an, dann würde er als russischer Emigrant Ivan Kluge durchgehen. Ravic lehnt ab, er wird seinen eigenen Namen angeben. Er teilt Morosow mit, was mit Joan geschehen ist, und bittet ihn, sich um ihre Beerdigung zu kümmern, falls Veber einrücken muss. Sie machen ab, sich nach dem Krieg bei Fouquet's zu treffen.
    Die Emigranten sind in den Katakomben versammelt. Ein Mann in Zivil sitzt an einem Tisch, die Türen werden von zwei Polizisten bewacht. Ravic wird von dem Zivilisten nach seinem Pass gefragt. Er habe keinen. Andere Papiere? Keine. Illegal hier? Ja. Geflohen aus Deutschland. Sein Name: Ludwig Fresenburg. Kein Jude. Beruf: Arzt. Arzt? fragt er und sieht auf einen Zettel. Ob er einen Arzt kenne, der Ravic heisst. Ravic verneint. Ihm fällt ein, wie überrascht Schwester Eugénie über sein Erscheinen in der Klinik schien. Er geht, begleitet von einem Polizisten, hinauf in sein Zimmer. Seine Sachen, die er mitnimmt, sind schon gepackt, alles Übrige lässt er da, auch die kleine hölzerne Madonna, die Joan ihm einmal geschickt hatte. Das elsässische Dienstmädchen übergibt ihm ein Essenspaket, alle haben von der Wirtin eines bekommen. Sie steigen auf den Lastwagen. Als er anfährt, winkt die Wirtin. Den Mann der Kakerlakenfrau, der ihn flehend anblickt, beruhigt Ravic, er habe Instrumente und Medizin dabei. Er steht neben Rosenfeld, der den Cézanne und den Gauguin in einer Rolle mit sich trägt, und dem falschen Goldberg, der den Pass des Verstorbenen "geerbt" hat. Der Wagen schüttelt. Der Fatalist Seidenbaum steht ganz in die Ecke gedrückt. Der Wagen biegt aus der Avenue Wagram in den Place de l'Étoile ein. Es ist so dunkel, dass auch der Arc de Triomphe nicht mehr zu sehen ist.