Der MannoE als eine Fundgrube – als eine Art Schutthaufen auf einem Aus- grabungsgelände, der von
Archäologen nach aussagekräftigen Tonscherben durchwühlt wird. Ein weiteres Fundstück:
– Die Geistesverfassung
" Ihren bedeutendsten Ausdruck gewinnt diese Geistesverfassung, die für das Nächste so
scharfsichtig und für das Ganze so blind ist, in einem Ideal, das man das Ideal eines Lebenswerks nennen
könnte, das aus nicht mehr als drei Abhandlungen besteht. Es gibt geistige Tätigkeiten, wo nicht die
grossen Bücher, sondern die kleinen Abhandlungen den Stolz des Mannes ausmachen. Wenn jemand beispielsweise
entdeckte, dass die Steine unter noch nicht beobachteten Umständen zu sprechen vermögen, er würde
nur wenige Seiten zur Darstellung und Erklärung einer so umwälzenden Erscheinung brauchen...
Man könnte die menschlichen Tätigkeiten nach der Zahl der Worte einteilen, die sie nötig
haben; je mehr von diesen, desto schlechter ist es um ihren Cha- rakter bestellt. Alle Erkenntnisse, durch die unsere
Gattung von der Fellkleidung zum Menschenflug geführt worden ist, würden samt ihren Beweisen in ihrem
fertigen Zustand nicht mehr als eine Handbibliothek füllen; wogegen ein Bücher- schrank von der Grösse
der Erde beiweitem nicht genügen möchte, um alles übrige aufzunehmen, ganz abgesehen von der sehr
umfangreichen Diskussion, die nicht mit der Feder, sondern mit Schwert und Ketten geführt worden ist."
Eine Sendung im Fernsehen über Skandale in der früheren Bundesrepublik gestern abend hat mich
wieder in meine tiefe Vergangenheit hineingerissen. Berichtet wurde über den Skandal um den Film
Das Schweigen von Ingmar Bergmann in den Sechziger Jahren. Erregung öffentlichen Ärgernisses war
damals noch ein Offizialdelikt, daher wurde Strafanzeige gestellt, und der Film sollte verboten werden. Einem
Kino wurde zur Auflage gemacht, dass bei der Vorführung zumindest an drei beanstandeten Stellen (Darstellungen
einer Masturbation bzw. von Sexualverkehr) das Objektiv des Projektors von Hand abgedeckt werden sollte! Mir war
der Film vor allem wegen der verwendeten Musik im Gedächtnis geblieben, einer Goldberg-Variation,
der längsten (in moll), von J.S.Bach, ein Werk, dessen Bekanntschaft ich hier zum erstenmal machte (später
vor allem durch die Gesamt-Einspielung von Glenn Gould).
Es wurde auch daran erinnert, dass damals noch der Kuppelei-Paragraph gültig war. Es war die Zeit, als
C. zu mir nach B. kam und wir einige Monate in meiner kleinen Einzimmerwohnung im Seitenflügel, ohne Bad und
mit Klo auf halber Treppe, zusammen lebten. Die Wohnung war mir als Student durch einen Kommilitonen, dessen Mutter
bei einer Hausverwaltung angestellt war, vermittelt worden. Eines Tages erhielten wir Besuch von ihr, es war offenbar
nicht un- bemerkt geblieben, dass eine Frau bei mir in der Wohnung lebte. Sie sah sich um, es war ein unangenehmer
Kontrollbesuch. Ich erinnere mich nicht mehr im einzelnen, auf welche Weise die Angelegenheit zum Abschluss gebracht
wurde; ich nehme an, mit einer Versicherung, dass es nur ein Besuch auf Zeit war und C. sowieso demnächst in
ihre Heimat zurückkehren werde.