" So gab es zum Beispiel schon Bücher,... die in sehr grossen Auflagen verkauft wurden, aber
man erwies ihnen noch nicht den grössten Respekt, obgleich bereits grosser Respekt nur Büchern von
einer gewissen Auflagen- höhe aufwärts erwiesen wurde... Alles in allem: ob nun der selige Raufbold und
Admiral Drake seinerzeit die Kartoffel aus Amerika eingeführt hat, womit das Ende der regelmässigen
Hungersnöte in Europa begann, oder ob es namenlose spanische Soldaten gewesen sind oder gar der brave Gauner
und Sklaven- händler Hawkins – lange Zeit ist es niemand eingefallen, wegen der Kartoffeln diese
Männer für bedeutender zu halten als etwa den Physiker Al Schîrasî, von dem man nur weiss,
dass er den Regenbogen richtig erklärt hat; aber mit dem bürgerlichen Zeitalter hatte eine Umwertung
im Range solcher Leistungen begon- nen. Die Quantität der Wirkung und Wirkung der Quantität, als neuer,
sonnen- klarer Gegenstand der Verehrung, kämpfte noch mit einer veraltenden und erblin- deten adeligen Verehrung
der grossen Qualität, aber in der Vorstellungswelt waren schon die tollsten Kompromisse daraus entstanden,
wie gleich die Vorstel- lung des grossen Geistes selbst, die so, wie wir sie im letzten Menschenalter kennengelernt
haben, eine Synthese von eigener und Kartoffelbedeutung sein musste, denn man wartete auf einen Mann, der die
Einsamkeit eines Genies haben sollte, aber dabei doch die Gemeinverständlichkeit einer Nachtigall..."
" Ich kann jede Art Unordnung eher ausstehen als die geistige. Ich möchte Einfälle nicht nur
entfaltet sehen, sondern auch zusammengebracht. Ich möchte nicht nur die Oszillation, sondern auch die Dichte
der Idee. Das ist es, was Sie, unentbehrliche Freundin, mit den Worten tadeln, dass ich immer nur erzähle, was
sein könnte, statt dessen, was sein müsste. Ich verwechsle diese beiden nicht. Und wahrscheinlich ist das
die unzeitgemässeste Eigenschaft, die man haben kann, denn nichts ist heute so fremd, wie es Strenge und
Gefühlsleben einan- der sind, und unsere mechanische Genauigkeit hat es leider so weit gebracht, dass ihr als
die richtige Ergänzung die lebendige Ungenauigkeit erscheint... Manchmal frage ich mich, ob ich nicht unrecht
habe. Vielleicht tun gerade jene, die ich nicht leiden kann, das, was ich einmal gewollt habe. Sie tun es vielleicht
falsch, sie tun es hirnlos, einer rennt dahin, der andere dorthin, jeder mit einem Gedanken im Schnabel, den er
für den einzigen auf der Welt hält; jeder von ihnen kommt sich furchtbar klug vor, und alle zusammen
glauben sie, dass die Zeit zur Unfruchtbarkeit verdammt ist. Aber vielleicht ist es umgekehrt, und jeder von ihnen
ist dumm, aber alle zusammen sind sie fruchtbar? Es scheint, dass jede Wahrheit heute in zwei einander entgegengesetzte
Unwahrheiten zerlegt auf die Welt kommt, und es kann auch das eine Art sein, zu einem überpersönlichen
Ergebnis zu gelangen! Der Ausgleich, die Summe der Versuche, entsteht dann nicht mehr im Individuum, das
unerträglich einseitig wird, aber das Ganze ist wie eine Experimentalgemeischaft. Mit einem Wort, seien
Sie nachsichtig mit einem alten Mann, den seine Einsamkeit manchmal zu Ausschreitungen veranlasst!"
" Was haben Sie mir nicht schon alles erzählt!... Warum schreiben Sie nicht ein Buch über
Ihre Anschauungen. Sie könnten vielleicht sich und uns damit helfen?"
"Aber wie komme ich denn dazu, ein Buch schreiben zu müssen?!... Mich hat doch eine Mutter
geboren und kein Tintenfass!"