– Ich werde ihm antworten, dass Monsieur hingeht? fragte Catherine.
"Teufel auch! sagte dieser zu sich selbst, ein Kranker in meinem Haus! ein Schwerkranker! Er muss es nur
den anderen mitteilen, und ich bin verloren!... Denn er gehört einer angesehenen Familie Lissabons an! wenn
er stirbt, ist es aus, dann werden keine Portugiesen mehr kommen... und die Kiste Orangen zum Jahresanfang, woher
werde ich die bekommen?"
– Also, sagte Mme Renaud, du musst gehen.
– Aber... aber, wandte der Vater Renaud noch ganz aufgewühlt ein, muss es sein?
– Gehen Sie, Monsieur, gehen Sie, wiederholte Catherine.
– Ja, ich gehe, sagte er unvermittelt, ich beeile mich, und ich werde nicht lange wegbleiben.
Nun, da er mit Mme Émilie, die wieder in ihrem Sessel ihre träumerische Haltung eingenommen hatte,
allein war, bewunderte Henry immer noch die Ausbrüche falscher Leidenschaftlichkeit, die er gerade mitangesehen
hatte, und er verglich sie mit anderen, die sie ihm täglich vorführte; er verglich ihre eben erlebten
Ausbrüche mit Schmollen und mit Zornesäusserungen sowie ihre Rückkehr unmittelbar danach zu
schmeichlerischer Zärtlichkeit, mit den Wut- anfällen im Liebesrausch und den göttlichen Kindereien,
mit denen sie ihn jeden Tag verhexte. Diese unvermutete Ähnlichkeit machte ihn recht nachdenklich; sein Geist
fand auch etwas Abstossendes an der unnötigen Täuschung, an der diese Frau sich so ergötzen konnte.
Er zuckte plötzlich zusammen, sie war es, sie war aufgestanden und war da, vor seinen Augen; sie blickte ihn
lächelnd an und schien ihm zu sagen: "Das alles ist für dich", und dieser Blick drang bis zum Grund
seiner Seele ein und riss in ihm die tiefe Saite des Stolzes an; er begann ebenfalls zu lächeln und streckte
mit einerr unbändigen Wollust seine Arme nach ihr aus, presste sie an sich und drückte ihr einen langen
Kuss auf die makellose weisse Stirn, so aufrichtig ihm gegenüber und so perfide für die anderen.
– Sprich leise, sprich leise, sagte sie und biss sich dabei auf die Lippen, er braucht nur
zurückzukommen.
– Ah! wie du ihm etwas vormachst! fing Henry wieder an.
– Ja, ja, murmelte sie und drückte ihn an ihre schwer atmende Brust, ja, ja, immer, für
dich, für dich!
– Liebst du mich? sagte Henry.
Und mit einem verwirrten Ausdruck im Gesicht antwortete sie:
– Ich hasse ihn! Ich hasse ihn!
Der August kam, es war die Zeit der Wettbewerbe und der Prüfungen, M.Renaud war mit Pflichten überlastet.
Henry, der seine erste Prüfung an der Schule für Jura auf den Winter verschoben hatte, tat nichts mehr
und wartete geduldig darauf, in die Provinz zurückzukehren und sich dort zu langweilen; Mme Renaud war so
schön, so liebenswürdig, so lustig! das Leben beim Vater Renaud war so angenehm, wenn man keine
Ratschläge von ihm zu hören bekam und mit seiner Frau schlief!
Er ging häufig mit Morel essen, den er jedesmal über die kleinen Vorkommnisse und die grossen
Glücksmomente, aus denen sein Leben sich zusammensetzte, auf dem laufenden hielt. Nach dem Essen gingen sie
ins Café und bestellten Eis, oder sie gingen auch, wenn Morel Zeit hatte, in irgendein Theater, sei es
ins Français, zu Debureau oder zu den Variétés, aber niemals woanders hin, denn Morel
verabscheute die Musik.