Der zweite antwortete auf diese Ausführungen, sein Kollege nehme die Wir- kung für die Ursache, er habe
die Veränderungen trefflich dargestellt, aber es sei genau umgekehrt; die Bewegung gehe nicht vom Hirn zum
Epigastrium, sondern vom Epigastrium zum Hirn. "Nein", rief er, "ich bin kein menschgewordener Magen!" Er schlug eine
seelische Behandlung vor, eine tiefgehende Prüfung des inneren Wesens. Das Übel sei in den Eingeweiden der
Seele und nicht in den Eingeweiden des Körpers zu suchen.
Raphael in seinem Versteck verzweifelte an der Wissenschaft; was er zu hören bekam, war die Wahl zwischen
Blutegeln, dem Rosenkranz und dem Skalpell. "Überall das Carymary, Carymara des Rabelais. Ob ich am Leben bleibe?
Sie wissen es nicht." Als Ergebnis der Konsultation wurde eine Behandlung mit Blutegeln in der Magengegend sowie eine
Reise nach Savoyen beschlossen.
Im Kurhaus von Aix bekam Raphael die Feindseligkeit der Gesellschaft zu spüren, er geriet mit anderen
Gästen aneinander, die von seiner Unnahbarkeit und Kühle befremdet waren, die sich zudem von seinem Husten
belästigt fühlten und sich von ihm zurückzogen. Man wollte ihn, auch weil man eine Ansteckung
fürchtete, dort nicht haben. In einer plötzlichen Eingebung wurde ihm klar, wie sehr er durch sein
eigenes Verhalten die Menschen vor den Kopf gestossen hatte, indem er mit ihnen umging, ohne auf ihre Eigenliebe
Rücksicht zu nehmen. Er verweigerte sich einem vertraulichen Umgang wie auch einem harmlosen Gespräch; er
"glich jenen Felsen, die gegen das Kosen wie gegen das Wüten der Wogen unerschüttert bleiben". Doch im
selben Atemzug liess er eine Abrechnung mit der Gesellschaft, ihrer Erbarmungslosigkeit und Unerbittlichkeit, folgen.
Fœdora kam ihm wieder in den Sinn, sie und die Gesellschaft glichen sich, waren in ihrer Mittelmässigkeit
ein und dasselbe, mit ihrem unumstösslichen Urteils- spruch, dem sich zu entziehen ein nicht wiedergutzumachendes
Verbrechen war. Diese Einsicht überkam ihn, als wenn ein Schleier sich plötzlich lüftete. "Er fand
sich allein in der furchtbaren Einsamkeit, die das Los der Grossen und Mächtigen ist".
Er begriff, dass man ihn gern loswerden wollte. Der freundlich und gütig wir- kende Badearzt legte
Raphael den Aufenthalt an einem Ort mit einer für Lungen- kranke günstigeren Luft, beispielsweise in
Baden-Baden oder in Teplitz, nahe, doch er durchschaute die vorgetäuschte Fürsorglichkeit und die
Absicht, die sich dahinter verbarg. Schliesslich wurde eine Entscheidung in dem Konflikt mit einer Intrige einiger
junger Leute herbeigeführt, die mit abfälligen Äusserungen Valentin zu einem Duell provozierten.
Er warnte seinen Kontrahenten, dass er die Macht besässe, ihn zu töten, doch der nahm die Worte des
ausgezehrten, gebrech- lichen Kranken nicht ernst. Tatsächlich verfehlte seine Kugel das Ziel, während
die Kugel Raphaels dank des Talismans den anderen ins Herz traf. Er reiste daraufhin in Richtung Auvergne zu
den Bädern des Mont-Dore ab. Das Chagrinleder hatte nur noch die Grösse eines Eichenblattes.
Noch von seinem letzten Abenteuer von einem tiefen Abscheu vor ihr erfüllt, traf er auf die gleiche
Gesellschaft, die ihn hasste, so wie er sie hasste und die sich auch hier "eilig von ihm zurückzog, so wie
die Tiere einen tot daliegenden Artgenossen fliehen, sobald sie ihn von weitem wittern". So machte er sich
gleich auf, eine Bleibe in der Umgebung auf dem Lande zu suchen, um sich "den wahren Empfindungen und einem
gleichsam vegetativen Leben zu überlassen".