Zunächst fällt das Bett auf, in der Verwandlung wie schon zuvor im
Urteil, als bedeutungsvoller Schauplatz eines Geschehens, das sich hier wie da über- wiegend in einer Wohnung
abspielt. Der Vater erfährt im Verlauf der Erzählung eine Verwandlung, die an Szenen im
Urteil erinnert: "So hatte er sich den Vater nicht vorgestellt, wie er jetzt dastand;... Trotzdem, trotzdem,
war das noch der Vater? Der gleiche Mann, der müde im Bett vergraben lag... der ihn an Abenden der Heimkehr
im Schlafrock im Lehnstuhl empfangen hatte; gar nicht mehr im- stande war, aufzustehen...". Es kommt zu einem
Wutausbruch des Vaters, der in einer regelrechten Verfolgung Gregor mit Äpfeln bombardiert, bei der dieser
durch einen Apfel getroffen und erheblich verletzt wird. Dieses Geschehen, durch ein Geschoss verletzt zu werden,
erkennt man variiert in einer später entstan- denen Erzählung Kafkas wieder: im Bericht
für eine Akademie ist es eine Schussverletzung, die für Rotpeter den Beginn seiner
Gefangenschaft bedeutet. Ergänzend kann noch vermerkt werden, dass auch der durch die Verwandlung Gregors
geschaffene Zustand einmal als Gefangenschaft bezeichnet wird.
Die Auswirkung, die die Verwandlung Gregors auf das Familienleben, auf ihren sozialen Status hat –
es ist ein stetiger Abstieg, der Albtraum einer nicht wohlhabenden, aber doch gutsituierten Familie –, von
Kafka mit vielen Einzel- heiten durchgespielt, das hat schon einen sadistischen Zug. Das Dahinsiechen Gregors in
seinem Zimmer, das mehr und mehr zu einer Abstellkammer und schliesslich zu einem Käfig wird: Hier ist von
der Grundidee her schon der Hungerkünstler angelegt, der anders als Gregor in dem
Bewusstsein weiterlebt, sein Hungern zu einer unübertroffenen Kunst aufgewertet zu haben.
Eine weitere Stelle erregt mein Interesse: die, an der ein Auszug der Familie Samsa aus der Wohnung in
Erwägung gezogen wird, der dann wegen des Problems scheitert, das durch Georg verursacht wird – er
müsste ohne Aufsehen zu erregen, etwa in einer mit Luftlöchern versehenen Kiste aus der Wohnung
herausgeschafft werden – das erinnerte mich doch an etwas; nämlich an eine Episode im
Verschollenen, an die sonderbaren Lebensumstände Bruneldas, die ihre Wohnung wegen ihrer
Körperfülle kaum noch verlässt und von zwei in ihren Diensten stehenden Begleitern, denen auch
Karl Rossmann sich anschliessen soll, versorgt wird... Doch darüber später mehr.
Die genannten, etwa in einem Zeitraum 1912 bis 1917 entstandenen Werke stellen ein durch Anspielungen und
Rückgriffe verbundenes Ensemble dar, das sich graphisch als ein Netzwerk darstellen liesse, in dem jedes
Element mit einem oder mehreren weiteren durch Gemeinsames oder durch Ensprechungen verbunden ist, wie etwa durch
eine Verletzung, das Bild der Wunde – dazu zählt eine Episode des
Verschollenen, der von Wunden übersäte Robinson –, und darüber hinaus auch In der Strafkolonie und Ein Landarzt. Es hat den Anschein, dass das Bild der
Wunde Kafka ständig gegenwärtig ist, in der Verwandlung als der von dem Angriff
des Vaters in seinem Rücken steckengebliebene Apfel. In einem Brief an Milena bestätigt er zehn Jahre
später die Bedeutung der Wunde: "...damals brach die Wunde zum erstenmal auf in einer
langen Nacht "; es ist die Erinnerung an das Erleben bei der Niederschrift von Das
Urteil, das er in der Verwandlung mit der Verwundung durch den Apfelwurf wieder
anklingen lässt.