Es war die Abenddämmerung und man war im Monat März, die wärmende
Sonne der ersten schönen Tage war verschwunden und legte noch einen traurigen Schein auf die massigen unbelaubten
Bäume; die Vorhänge an den Fenstern waren zurückgezogen, man konnte in den Garten mit dem trockenen
Laub, den braunen Knospen des Flieders und die rötlichen Spitzen der kahlen Linden sehen; in den Fensterscheiben
spiegelten sich fahle Farbtönungen, die von purpurrot zu orange übergingen und nach und nach schwächer
wurden, um schliesslich eine nach der anderen wie erlöschende Wellen von Licht zu verschwinden; die Nacht brach
herein und die Zimmerecken wurden in Schatten getaucht; nur im Kamin glommen noch ein paar Kohlen. Henry beugte sich
näher zu ihnen hin, um ein letztes Mal in dem zu lesen, das er für immer vernichtete; bei jedem Blatt, das
in Flammen aufging, fiel ihm eines nach dem anderen das darauffolgende wieder ein. So zogen die liebevollen
Zusprüche seiner Mutter und all die zärtlichen Worte, mit denen sie ihn bedachte, seine Arbeiten der letzten
zwei Jahre, seine Gedichte von früher, das Tagebuch seiner Lektüre, Auszüge aus Romanen, ausgesuchte
Stücke aus Gedichtsammlungen, alte Notizen auf vergilbten Blättern wieder an ihm vorbei; ebenso die Briefe
von Jules, einer nach dem anderen, auch sie übergab er wie auch alles andere den Flammen, wobei er von Zeit
zu Zeit ein Wort, einen Satz aufschnappte, der in ihm wieder die Erinne- rung an die vorangegangenen und die
darauffolgenden wachrief; ehe er sich gewahr wurde, brach die Nacht herein; um noch ein wenig länger lesen zu
können, musste er sich gegen die Kacheln lehnen, doch als auch diese letzte Position nichts mehr erbrachte,
setzte er sich wieder auf den Stuhl, packte den ganzen am Kaminrand noch verbleibenden Rest und warf ihn auf einen
Schlag hinein.
– Es ist geschafft, sagte er nun seinerseits und betrachtete zwei oder drei alte Federn, die in einem
Heft vergessen worden waren und knisternd in der Asche lagen.
Dann begann er zu lachen.
– Worüber lachst du? fragte Mme Émilie. Woran denkst du? fügte sie hinzu, und lehnte
sich gegen seine Schulter.
– Woran ich denke?
– Ja, woran denkst du?
– Daran, dass sich nicht nur unsere Zukunft in Rauch auflöst, sieh hier unsere Vergangenheit!
Und er betrachtete die schwärzlichen verlöschenden Fetzen, die sich an der Täfelung abhoben.
Émilie sagte nichts; sie blickte wie er vor sich hin, sie hatte sich auf seine Kniee gesetzt.
– Erinnerst du dich, fragte er sie, erinnerst du dich an den einen Abend in jenem Winter, als wir
zusammen an einem Feuer wie diesem sassen und ein Papierkügelchen wie dieses brannte und dabei im Kamin
hochwirbelte?
Sie antwortete nicht, sie war nahe daran zu weinen.
– Wie lange das her ist! nicht wahr? wir haben uns seitdem so sehr geliebt! Émilie, wir werden
nicht mehr unter dem Tisch unsere Hände aneinander pressen!
– Nein, sagte sie seufzend.
– Wir werden nie mehr gemeinsame Spaziergänge im Garten machen.
– Das ist wahr.
– Ein Lebewohl für immer den schweigsamen Abenden, an denen ich dich betrachtet habe, Lebewohl
auch dem Zimmer!
– Und dem deinen, das ich so sehr mochte! setzte sie hinzu.