Die Aufgaben Statoës, den der Vater Nicole Morico nannte, bestanden darin, die Stiefel seines Herrn
zu wachsen und ihn bei Tisch zu bedienen; die übrige Zeit gehörte ihm; er verbrachte sie fast
ausschliesslich mit Schlafen, man fand ihn immer am erstbesten Platz liegen und mit seiner ganzen Seele
schnarchen; es schien so, als wenn Europa ihn ermüdet hätte und er sich, als er das Schiff bestieg,
endlich nach langen Jahren das erstemal ausruhen würde.
Trotz der Müdigkeit in seinem Gesicht und der grauen Haare in seinem blonden Kraushaar waren seine
Gliedmassen noch kräftig und sein Blick lebhaft, wenn er nicht erloschen war; er wirkte traurig. Häufig
zog er seine alte zerlumpte Livree aus, breitete sie auf den Boden aus und legte sich darauf wie auf einen Teppich,
dann nahm er die Lappen ab, mit denen er seine Beine umwickelt hatte, kratzte sich, wobei er sie dem Wind aussetzte,
und lachte dabei; dann streckte er die Arme aus und seufzte.
Sein Vater hatte ihn für ein Paket Nägel verkauft; er war als Diener nach Frankreich gekommen, hatte
für eine Kammerzofe, in die er verliebt war, ein Schultertuch gestohlen, woraufhin er für fünf Jahre
auf die Galeere geschickt wurde; er war von Toulon zu Fuss nach Le Havre gekommen, um seine Geliebte wiederzusehen,
nachdem er sie aber nicht wiedergefunden hatte, kehrte er nun in das Land der Schwarzen zurück. Auch er hatte
seine Erziehung des Gefühlslebens [orig.: "éducation sentimentale"] durchlaufen.
Henry wurde krank, er vertrug die Seereise nicht; in den ersten Tagen hatte man geglaubt, dass er sich daran
gewöhnen würde, doch er selbst begann zu erkennen, dass er sich darein schicken musste, noch für
lange Zeit zu leiden; Émilie sorgte für ihn wie ein Engel, sie schliefen in derselben Kabine, und
nachts stand sie auf und gab ihm zu trinken. Das arme Kind, welch trostlosen Blick er ihr zuwarf, und wie seine
kraftlose Hand die ihre suchte während jener langen quälenden Stunden, in denen die Angst ihn wie in
ein Meer von Schmerzen niederdrückte! Manchmal jedoch, wenn sie zu ihm trat und seinen schmerzenden Kopf
berührte, erfrischte die Liebe seine Seele und ein Lächeln umspielte seine Lippen.
– Du hast es gewollt, sagte er, du hast es gewollt! du hast dein Leben mit meinem verbunden. Nun
siehst du!
– Beklagst du mich, antwortete sie, wegen dem, was ich tue, wegen dem, was deine Mutter tun
würde, wegen dem, was ich aus Liebe tue? Hier sind wir frei, Henry, ich kann die ganze Nacht und den
ganzen Tag bleiben, kann dich anschauen und trösten. Schlafe, Kind, erhole dich, bald wird es dir besser
gehen.
Gewöhnlich ging es ihm abends, wenn Wind aufkam, besser, und er ging auf die Brücke hinauf. Émilie
unterstützte ihn, sie erinnerte ihn an die Zeit, als sie im Garten spazierengingen, als er ihr den Arm bot,
um die Treppe zum Salon hochzusteigen, und sie sich auf ihn stützte, so wie sie es jetzt tat.
– Erinnerst du dich, wie ich zitterte? sagte Henry.
– Und wie ich dich ansah?
– Ja! ich drückte deinen Ellbogen auf mein Herz, hast du nicht gespürt, wie es
schlug?
– So wie jetzt, nicht wahr, sagte sie mit einem Augenaufschlag und wandte sich nach ihm um.
– Oh! Sieh mich genauso an, sagte Henry, genau auf diese Weise... lange ist es her... du erinnerst
mich an die ersten Tage, und wie ich dich da gesehen habe.