Als sich diese Möglichkeiten zu dem Kreis derer gesellten, die er bedacht hatte, wären sie ihm,
wenn sie eingetreten wären, nicht allzu sonderbar erschie- nen; in der Tat sind das Dinge, die passieren und
die er vor Augen hatte, auf die er sich an den Tagen, an denen er an Henry dachte und sich vorstellte, was ihm an
Gutem wie an Schlimmem widerfahren könnte, annähernd gefasst gemacht und über die er dieses Gebäude
von Annahmen und abenteuerlichen Vor- stellungen errichtet hatte, das wir in der Abwesenheit von Menschen errichten,
die uns etwas bedeuten. Zunächst hatte er an ein Duell gedacht, er hatte sich auf eine Verwundung eingestellt,
eine recht ernste, doch nicht lebensbedrohliche Verwundung – bei einem Duell zu sterben, das kommt so
selten vor! – er hatte dann den Gedanken an den Tod ausgeschlossen – denn unsere Gedanken machen uns
Angst – und war dann zu einem einfachen Unfall, einer Erkrankung, zurückgekehrt; er hatte auch daran
gedacht, dass Henry in einen Aufruhr hineingeraten und für ein paar Tage ins Gefängnis gesteckt worden
sein könnte; dann hatte er sich vorgestellt, dass er sich in dem Café, falls er eines häufig
aufsuchte, in die Dame am Ausschank verliebt haben könnte und vielleicht, um ihre Gunst zu gewinnen, grosse
Mengen verzehrt hat; dass er dann, als er nicht zahlen konnte, genötigt sein würde, sich Geld zu leihen,
und an Wucherer geraten und dann Schulden haben würde, Schulden ohne Ende, war doch das Leben eines jungen
Mannes in Paris eine Medaille mit zwei Seiten, mit Cupido auf der einen und dem Gläubiger auf der anderen;
er hatte sich damit abge- funden, sie zu bezahlen, falls sie zu ihm kämen. Angesichts der Ungewissheit
möglicher Unglücke – dieses missfiel ihm jedoch am allermeisten – hatte er noch an ein
weiteres gedacht, an die gewisse für die Gutherzigkeit gefährliche Frau, die "Gefrässige", die
jeder brave Bürger für sein Kind fürchtet, die ihm seine Zeit und sein Geld gleichermassen stiehlt;
ihn vom Studium abhält, ihm die Liebe zum Luxus und zum Spiel beibringt, ihm die Provinz verleidet und
später verhindert, dass er sich etablieren kann; indessen hatte er sich gesagt, dass er jede Anstrengung
unternehmen werde, um ihn aus dem Schlund zu ziehen und ihm wieder auf die Beine zu helfen. Damit hatte er alles
im Voraus bedacht, sich alles vorgestellt; er war auf alles gefasst, zu allem bereit; als sich aber herausstellte,
was er weder vorhergesehen noch sich vorgestellt hatte, dass nämlich sein Sohn mit Mme Renaud durchgebrannt
sein könnte, war, als er davon erfuhr, die Überraschung perfekt, und er verfiel in eine Sprachlosigkeit
und in eine unbe- schreibliche Erstarrung. Der Brief fiel ihm aus den Händen, und wenn seine Arme ihm vom
Körper hätten abfallen können, hätten sie es dem Brief gleichgetan.
Es war Morel, der ihm diese Nachricht zukommen liess, es war ein Dienstagmorgen. Sie waren drei Tage zuvor, am
Samstagabend, abgereist, und man wusste nicht, wohin sie geflohen waren. Morel berichtete darüber hinaus,
auf welche Weise sie sich davongemacht und wie sie sich das Geld für die Reise beschafft hatten.
Man rieb sich die Augen, man wollte es nicht glauben; man mussste es jedoch hinnehmen und überlegen, was zu
tun sei. Ein Rechtsanwalt wurde konsultiert, der jedoch keinen guten Rat zu bieten hatte und ihnen keine
praktikablen Schritte angeben konnte. So beschlossen M. und Mme Gosselin, ohne noch auf irgendjemanden zu bauen,
umgehend nach Paris zu fahren und M.Renaud selbst aufzusuchen, um zu erfahren, was das alles zu bedeuten hatte.