Die erste Éducation Sentimentale


    Sie stiegen zuerst zu dem Zimmer Mme Émilies hinauf; man hätte meinen können, dass sie es eben erst verlassen hat, die Vorhänge aus blauer Seide und weissem Musselin waren zugezogen und hielten das Tageslicht zurück, die Bettlaken hingen zum Boden auf den Teppich herab; im Kamin lagen auf weisslichen Holzresten noch Reste von den Papieren, die sie verbrannt hatten, auch befand sich auf dem Toilettentisch das noch mit Wasser gefüllte Becken, der geöffnete rosafarbene Flacon; die ausgebreiteten Cremes und Duftwässer, sowie die Nagelbürste für die Hände und die Kämme, die durch ihre Haare gefahren waren. Ein Dichter hätte in dem lieblichen frischen Duft dieses geschlossenen Zimmers zweifellos Erinnerungen an eine Frau und an die Zärtlichkeit von Liebschaften verspürt, ein Gemisch von Parfums, die all diesen auf den Möbeln ausgebreiteten Kleidungsstücken, den noch feuchten Seifen und dieser stummen Täfelung entströmten und die euch wie eine Ausdünstung eines Ehebruchs erschienen. Haben die Wände nicht ihren geheimen Magnetismus, der auf das, was sie in der Gegenwart umschliessen, etwas von dem ausstrahlt, was sie früher einmal enthielten? dies ist der grossen Charme, der von Ruinen ausgeht, sich auf unserer Seele niederschlägt und sie in einen andauernden, tiefen Trübsinn verfallen lässt!

    Doch diese Widerlinge entweihten alles! sie begannen zu untersuchen, zu sichten, in allen Ecken herumzustöbern; einer von ihnen setzte sich in einen Sessel, vielleicht war es der, in dem Henry sie gewöhnlich sich auf seine Kniee setzen liess und ihr die reizendsten Dinge seines Lebens sagte: ein anderer griff nach dem kleinen Tischchen mit der gelben Blume, auf den sie sich den ganzen Tag mit den Ellbogen aufstützte, wenn sie an ihrem Fenster arbeitete; auf diese gelbe Blume, ihr erinnert euch, war ihr Blick geheftet, wenn sie sich den angenehmsten Träumereien hingab.
    Sie konnten nichts finden, obschon sie die Schubladen herauszogen und alle Möbel anhoben. Wozu all das wiedergeben, was sie an Plumpem und Törichtem von sich gaben? M.Renaud wiederholte untröstlich ohne Unterlass: Émilie! meine arme Émilie! Mme Gosselin zeigte sich über die Unordnung in diesem Zimmer entsetzt, das so wenig mit ihren provinziellen Vorstellungen von einer Haus- haltung gemein hatte, und ihr Gatte fand, dass hier ganz allgemein eine Atmosphäre von Schlaffheit und Lasterhaftigkeit herrschte, die nichts mit seiner Art von Laster zu tun hatte, und die er scharf anprangerte.

  – Ah! sieh da, sieh da, sagte er, haufenweise Pomaden, Düfte, Mundwässer, Pillen und Mittelchen! Ich wusste es! das sagt alles, mehr braucht man nicht zu wissen.
  Dann, mit einer Miene ehrbaren Abscheus:
  – Ah! mein Gott! ah! mein Gott!
    Morel hatte sich ohne Umstände auf das Bett gesetzt; er atmete die Gerüche von Kampfer und Patschuli ein und musterte die Möblierung, die sich ihm vor seinen Augen darbot, wobei er sie mit anderen annähernd gleichen Möblie- rungen, die ihm sehr vertraut waren, verglich; er fand, dass bei dieser ein grosses Sofa und ein Spiegelschrank fehlten.