Mme Renaud befindet sich an der Ecke des Kamins, mit dem rechten Ellbogen auf den Kaminsims gestützt,
den ganzen Körper etwas zur Seite gedreht: die Bänder ihrer Haube sind gelöst und lassen den
Hals unter dem Kinn frei, ihre linke Hand steckt in der Tasche ihrer Seidenschürze, sie hat die Augen
halb geschlossen und lächelt leicht mit den Winkeln ihres Mundes, etwas weniger als vorher, jedoch mehr
in ihrem Innern, wenn irgend jemand es hätte wahr- nehmen können. Das matte Tageslicht, das durch die
Fenster ins Zimmer dringt, fällt auf das Gesicht Henrys, erhellt seine Stirn und lässt die Umrisse
seines Gesichts hervortreten; seine Beine sind unter dem Tisch übereinander geschlagen; er macht die Augen
weit auf, man hat den Eindruck, dass er über etwas grübelt, das nicht sichtbar ist.
– Was ist mit Ihnen? fragte sie schliesslich.
– Mit mir? entgegnete Henry wie aus einem Traum erwacht, nichts... überhaupt nichts, ich
versichere Ihnen.
– Woran dachten Sie?
– Ich weiss nicht.
– Sie sind zerstreut, das sehe ich. Das ist wie mit mir, hundertmal am Tag überrasche ich mich
dabei, dass ich von vielen unbedeutenden und unwichtigen Dingen träume, alle Tage verliere ich dadurch
beträchtlich viel Zeit.
– Das sind angenehme Stunden, finden Sie nicht, Madame, diese Stunden, diese Augenblicke, die
undeutlich, langsam verstreichen, ohne im Bewusstsein eine Erinnerung, weder der Freude, noch des Schmerzes, zu
hinterlassen!
– Meinen Sie? sagte sie.
Er fuhr fort, ohne den sympathischen Beiklang zu beachten, der in diesen beiden Worten mitschwang; er
gehörte zu denen, die darauf Wert legen, ihre Sätze zu beenden.
– Man behält davon sicher keine zarte, undeutliche Erinnerung, die man in sein Gedächtnis
zurückrufen möchte, wenn man traurig ist.
– Wie Recht Sie haben! sagte sie noch einmal.
– Im Garten meines Vaters gab es einen grossen Kirschbaum. Wenn Sie wüssten, wie ich in seinem
Schatten geschlafen habe! Alle Welt betrachtete mich als einen Türken oder einen Faulpelz.
Mit einem leisen nachsichtigen Lachen, wie zu einem Kind:
– Damit hatte man vielleicht nicht ganz Unrecht, entgegnete sie ihm.
– Und dann der Winter...
– Oh, der Winter, nicht wahr? Da geht es mir wie Ihnen, da lobe ich mir ein Plätzchen am Feuer!
Da lässt es sich gut plaudern!
– Ich habe sie immer allein verbracht, Abend für Abend sass ich in meinem Sessel; ich habe dabei
eine Menge Holz verbrannt.
– Ah! wir könnten gut zusammen passen, ich gehe, und M.Renaud tadelt mich oft deswegen, aber
für mich stellt es ein grosses Glück dar, nicht aus dem Haus, ich treffe keine Menschenseele, ich bin
eine völlig unbekannte arme Frau, die ganz zurückgezogen zu Hause bleibt.
– Weshalb denn? entgegnete Henry – der sich, wie Sie, lieber Leser bemerken, schon erlaubte,
Fragen an sie zu richten, denn sie waren sich schon ein wenig nähergekommen, nicht durch das, was gesprochen
wurde, sondern durch den Ton, in dem es gesprochen wurde.