Die Pendeluhr schlug sechs, als Vater Renaud die zweiflügelige Tür des Salons öffnete und das Gros
der Gesellschaft, das pünktlich gekommen war, hereinliess. Sie bestand aus M. und Mme Lenoir, Holzhändler
in Paris und aus derselben Gegend stammend wie M.Renaud, und ihren beiden Kindern, Adolphe und Clara, wahre Pariser
Kinder, hell und bleich, lymphatisch und aufgedunsen; vor allem das kleine Mädchen war ziemlich hässlich,
es hatte gerötete Augen und hustete beständig; ihr Bruder war ein dicker Blonder mit Kraushaar, ziemlich
still; er ass Unmengen, vor allem von der Schlagsahne; seine Eltern liessen ihn sich viel kosten; man hatte ihn in
eine Artilleristen-Uniform gesteckt.
Mlle Aglaé kam allein, ohne ihren Bruder. Mlle Aglaé war ein ältliches Mädchen von
fünfundzwanzig, Klavierlehrerin an den boarding schools for young ladies, eine sehr
grazile und sehr dürre Frau, mit einer ausserordentlichen Lockenpracht à l'anglaise, die ihr bis zum
Schlüsselbein und zu den Schultern reichte, die sie gern zu jeder Jahreszeit entblösste, ohne sich je
einen Schnupfen oder eine Lungenentzündung zu holen, obwohl sie nach dem ersten Eindruck von einer
empfindlichen, zarten Konstitution zu sein schien. Ihre Füsse waren alles andere als schön, obwohl die
Schnürsenkel ihrer Stiefeletten aus grün- lichem Leder so festgezogen waren, dass es fast die Ösen
aufriss. Beklagens- wert war, vor allem für eine empfindsame Frau, dass ihre Hände gerötet waren und
vor allem im Winter anschwollen; dagegen achtet man nicht auf diese strahlenden, blanken Zähne, die, wenn sie
lächelt, von ihren dünnen Lippen entblösst werden; noch auf diese Haut von einem so unangreifbaren
Weiss, dass ihr Schwanenhals und ihr Nacken fast von derselben Farbe sind. Sie war eine alte Gefährtin von
Mme Émilie, ihre Schlafzimmerfreundin und intime Vertraute; sie sahen sich fast jeden Tag, verbrachten viel
Zeit miteinander und begleiteten sich regelmässig bis zur Einfahrt zur Strasse hin, wo ihre Unterhaltung
noch um gut eine Viertelstunde fortgeführt wurde.
Gleich nachdem sie in den Salon eingetreten war, legte sie ihren Schal und ihren Hut ab und trug beides in das
Zimmer von Mme Renaud. Mme Renaud nahm ihr alles ab und sie gingen hinaus, lebhaft und fröhlich wie junge
Mädchen.
– Nun, mein lieber Ternande, sagte der Amphitryon, indem er die Hand eines jungen Burschen mit
aufgetürmtem Haar drückte, der mit unerschütterlichem Gleichmut ein grünes, von oben bis unten
mit glänzenden Knöpfen zugeknöpftes Gewand trug. – Was machen die Künste?
– Sie machen sich nicht schlecht, lieber Meister, nicht schlecht.
– Mit dem Farbton klappt es?
– Todsicher! entgegnete der Künstler.
– Und der Torso? setzte M.Renaud mit feinem Spott fort, der Torso, wie Sie sagen, studieren wir ihn
immer noch? Also ich mag diesen Torso sehr...Immer stark, dieser Torso, antik, wie ich hoffe? Man darf nicht davon
abgehen, sage ich Ihnen. Die Antike, die Antike!
– Sie sind immer noch dabei! entgegnete Ternande zunehmend ungeduldig; aber verstehen Sie doch, mein
lieber Herr...
Er zog ihn in eine Fensternische und entwickelte ihm zu hundertsten Mal seine Ideen über die Kunst, für
die er dieses Mal nicht mehr Verständnis fand als beim ersten, trotz seiner geistreichen Einfälle, seiner
messerscharfen Einlassungen und seiner ausdrucksstarken Gestikulation.