Die erste Éducation Sentimentale


  – Weshalb? antwortete sie, aber habe ich denn nicht meinen Mann? mein Haus? und ausserdem mag ich die Welt draussen nicht; sie ist so schlecht, so hässlich und falsch!
  – Ich gehe ebenfalls nie auf einen Ball, soetwas langweilt mich, ich habe noch nie in meinem Leben getanzt.
  – Ah! in dem haben Sie Unrecht, tanzen muss man unbedingt können! Sie sind wohl ein richtiger Bär?
Und sie begann zu lachen, wobei sie ihre schönen Zähne zeigte.
  – Das ist einzigartig! ein junger Mann!
In einem ernsthafteren Ton fuhr sie fort:
  – Ah! Sie werden später Ihre Meinung ändern.
  – Wer sagt das?
  – Das kommt bestimmt, glauben Sie mir.
  – Und wann?
  – Wenn Sie einer... wenn Sie jemandem gefallen möchten.
Sie hielt inne, Henry errötete:
  – Glauben Sie?
    Sie machte zwei Schritte, um sich zur Mitte des Kamins zu begeben, sie streckte einen Fuss aus, dann den anderen, und die Sohlen ihrer schwarzen Stiefeletten aufzuwärmen, wobei sie sich in Spiegel betrachtete, während sie ihr seitlich herabfallendes Haar ordnete und mit der Handfläche daran entlang strich.
  – Was für ein hübsches Kästchen Sie da haben! sagte sie und nahm die kleine, mit Eisennägeln bestückte Mahagoni-Kassette in die Hand, die zwischen den beiden kupfernen Kerzenständern auf dem Kamin stand. Was ist darin?
  – Ich lege meine Briefe da hinein.
  – Es ist Ihre Korrespondenz? Oh! Sie verschliessen sie mit einem Schlüssel.
Und indem sie zu einem anderen Gesprächsthema überging:
  – Fühlen Sie sich in Ihrem Zimmer wohl?
  – Wie Sie sehen, halte ich mich beständig darin auf
  – Ein schönes Zimmer, alles ist genauso wie in meinem ein Stockwerk tiefer; ich glaube, Sie kennen es noch nicht? Sie haben es noch nie betreten?
  – Nein, noch nie.
  – Ich mag dieses lieber, es ist grösser; ich habe es übrigens eine lange Zeit selbst bewohnt; bevor Sie kamen, war ich darin.
  – Ah! Sie haben es bewohnt? entgegnete Henry.
  – Ich werde Sie verlassen müssen, sagte sie plötzlich, ich habe heute abend Gäste zum Essen, Sie kommen rechtzeitig herunter, nicht wahr?

    Sie entfernte sich vom Tisch Henrys und brach auf. Als sie am Bett vorbei- kam, blieb sie stehen, und als sie das Aquarell-Porträt sah, das sich daneben an der Wand befand:
  – Das ist Ihre Schwester, nehme ich an? Sie haben mir nicht gesagt, dass Sie eine Schwester haben? wie heisst sie?
  – Louise
  – Louise! ich liebe diesen Namen... Aber ich kann sie von hier aus nicht sehen, es wird schon dunkel, und sie wird von dem Vorhang verdeckt.
    Sie zog den Vorhang, der das Bettende verdeckte, beiseite und schob ihn zur Wand, dann trat sie an die Mitte des Bettes und beugte sich vor, um das Porträt besser betrachten zu können; die Matratze gab leicht nach und wurde vom Gewicht ihres Körpers eingedrückt.