– Finden Sie, dass sie Ihnen ähnlich sieht? fragte sie unvermittelt, indem sie den Kopf
abwandte.
Henry, dem sie den Rücken zuwandte, betrachtete ihre spiralförmig aufge- steckten schwarzen Haare, den
Kamm, der sie zurückhielt, den braunen Nacken darunter, ihr Gesicht war anziehend, wenn er es so betrachtete,
wie sie es über die Schulter zurückwandte und ihn noch einmal, fast auf dem Bett liegend, fragte:
– Nun sagen Sie, finden Sie, dass sie Ihnen ähnlich sieht?
– Es wird behauptet.
– Ganz besonders die Augen, nicht wahr? so blau wie Ihre – sie betrachtete abwechselnd das
Porträt und das Gesicht Henrys – mit den schwarzen Augenbrauen, was etwas Seltenes ist... der
Gesichtsschnitt ist ebenfalls derselbe... aber sie ist ein wenig blonder, wie mir scheint.
Sie stützte sich mit beiden Fäusten auf das Bett, ihre Samtschürze breitete sich auf der
Wolldecke aus, die gestreckten Kniee erfassten die Decke dahinter, die zu Boden glitt; in ihrem nunmehr angeregten
Gesicht war ein forschendes Lächeln; ihre Augen, vorher mit halb geschlossenen Lidern, waren diesmal weit
geöffnet und beobachteten die Henry's, die starr auf die ihren gerichtet waren.
Sie hatte lange, aufstrebende Wimpern, die schwarze Pupille gesprenkelt mit gelben Fädchen, die kleine
goldene Strahlen in diesem tiefen Schwarz bildeten; die Haut um die Augen herum hatte einen leicht geröteten
Teint, der sie grösser erscheinen liess und ihnen einen etwas müden und verliebten Ausdruck gab. Ich mag
diese grossen Augen der Frauen um die dreissig sehr, diese weiten, geschlossenen Augen mit kräftigen schwarzen
Brauen, mit einer blassen, stark gedunkelter Haut um die inneren Lider, schmachtende, andalusische, mütter-
liche, laszive Blicke, brennend wie Fackeln, sanft wie Samt; sie öffnen sich ganz plötzlich,
senden einen Blitz aus und schliessen sich wieder.
– Ihr Mund, beispielsweise, fuhr sie fort, ist kleiner, ausgeprägter, schelmisch. Sie mögen
Ihre Schwester sehr?... Sie liebt Sie ebenfalls, nicht wahr?... Und Ihre Mutter? Ich bin sicher, Sie waren ein
verwöhntes Kind, dessen bin ich sicher, dem man nichts abschlagen konnte, stelle ich mir vor.
Sie betrachtete nicht mehr das Porträt, sie setzte sich zur Tür in Bewegung, nahm den Schlüssel
an sich. Henry antwortete nicht.
– Meine Frau! meine Frau! rief eine Stimme von der Treppe.
– Also, adieu, ich verlasse Sie, es ist vier Uhr, ich gehe mich anziehen... Oh! haben wir uns
verplaudert! einen schönen Abend, bis später.
Sie öffnete eilig die Tür, das Kleid summte im Luftzug, Henry hörte sie die Treppe
hinuntereilen und kurz darauf ihr Zimmer betreten.
Er ging auf seinen Platz zurück, man sah nichts mehr, es hatte keinen Zweck, sich wieder an die Arbeit zu
machen. Stattdessen lief er auf und ab und verfolgte, wie im Garten langsam die Nacht hereinbrach; er dachte an
all die Dinge, die ihm im Kopf herumschwirrten, vor allem aber an das Geräusch, das die Unterröcke der
Frauen im Gehen machen, und an das Knarren ihrer Schuhe auf den Dielen.