Zu den Mahlzeiten kam sie in das Esszimmer herunter und führte sich mit der Würde einer Hausherrin
auf, die sich die Ehre gibt.
Sie hatte nicht das Glück, Mutter zu sein, doch sie vergötterte die Kinder; wenn
einmal welche zu ihr kamen, dann gab es ein nicht enden wollendes Schmusen, Naschwerk und Bonbons. Als sie M.Renaud
sehr jung geheiratet hatte, hatte sie ihn zweifellos geliebt, und sei es nur einen Tag oder nur eine Nacht; doch zu
der Zeit, in der diese Geschichte spielt, blickte sie auf die Liebe schon seit langem nur noch über die Schulter
zurück, mit einem leichten Lächeln, das ist wahr, wobei sie ihr traurig Lebewohl sagte. Schön wie sie
immer noch war, mit einem empfindsamen Herzen und einer ebenso perfekten Ausstattung, hatte sie sich ihr zweifellos
begierig und mit der Reinheit ihres Verlangens hingegeben, ohne sich besonders darüber zu beunruhigen, woher
es kam; dann hatte sie bald davon genug, und jetzt bedauerte sie es und wünschte es sich vielleicht zurück,
so wie jene Hungrigen, die sich, kaum dass sie am Tisch Platz genommen haben, den Magen mit Suppe und Rindfleisch
vollgeschlagen haben, ohne daran zu denken, dass nachher noch gefüllter Truthahn und Eissorbett aufgetragen
wird.
Die beiden, Ehegatte und Ehefrau, lebten einträchtig zusammen, was der Gutmütigkeit des Mannes und der
Sanftheit der Frau geschuldet war; man hätte sie als das beste Ehepaar der Welt bezeichnen können, und
nach dem Frühstück machten sie sogar Arm in Arm einen Rundgang im Garten.
Madame hatte ihre eigene Geldbörse und eine geheime Schublade; Monsieur murrte nur selten und schlief schon
seit langem nicht mehr mit seiner Frau zusammen. Madame las abends im Bett sehr lange; Monsieur schlief sofort
ein und träumte fast nie, es sei denn, er war ein wenig angetrunken, was hin und wieder vorkam.
Sechstes Kapitel
In diesem Hause lebten, was seine Bewohner betraf, unterschiedliche Personen, von denen wir vielleicht später
einige kennenlernen werden, so unter anderen ein Deutscher, der sich der Mathematik widmete, und zwei Portugiesen
aus einer sehr reichen Familie, ziemlich schwermütig, von einem sehr hässlichen Aussehen und mit einer
gelblichen Hautfarbe, die ihre Studien beendeten, um als Gelehrte in ihr Land zurückzukehren.
Henry war wenig mit seinen neuen Kameraden zusammen; er blieb meistens in seinem Zimmer, ging selten aus, und wenn
es vorkam, dann war er frühzeitig wieder zurück. Er hatte mancherlei Dinge von zu Hause mitgebracht:
ein kleines Porträt seiner Schwester, das er sogleich am Kopfende seines Bettes aufstellte, von seiner
Mutter bestickte Pantoffeln, sein Gewehr, seine Jagdtasche, so viele Bücher, wie er in seinem Koffer
unterbringen konnte, ein kleines Kästchen, in dem er seine Briefe aufbewahrte, eine Schreibunterlage aus
rotem Maroquin-Leder, auf der er schrieb, sowie sein Messer, eine Papierpresse, ein, ja mehrere Federmesser,
Geburtstagsgeschenke, die ihn an alte Bekannte und an vergangene Tage erinnerten.