Nachdem sie gewohnt war, ihn als die Verkörperung von Kraft und von Einfallsreichtum und als beispiellos
grossartig zu betrachten, sagte Henry sich nun, dass sie mit ihm eine Enttäuschung ohne Ende erleben müsse,
denn wozu war er ihr noch nütze? welche Freude, welches Wohlsein brachte er ihr noch im Austausch für
ihre Hingabe und ihre Liebe? Er strafte doch alle seine Versprechen Lügen, verriet all die Hoffnungen, die
sie auf ihn gesetzt hatte, zerstörte das Idealbild, das er ihr geboten hatte.
Das quälte ihn wie ein Vorwurf, so dass er nicht mehr an sie allein unter Ausschluss aller übrigen
Dinge dachte, sondern nur noch an seinen verletzten Stolz, der durch diese Liebe noch verschlimmert wurde. So hatte
er sich früher jedesmal, wenn er von einem neuen Anlauf enttäuscht zurückkam und nach einem weiteren
am Tag darauf noch verzweifelter war, beklagt, jetzt jedoch schwieg er und hielt alles in sich verschlossen,
täuschte Zutrauen, Fröhlichkeit und Sorglosigkeit vor und lachte belustigt über seine Kleidung,
die allmählich zerfiel, er, der so stolz war! während seine unterdrückte Wut sein Herz
zusam- menpresste, so wie man eine Schlange zwischen zwei Brettern zerquetscht.
Émilie trug keine frischen Handschuhe und auch keine Lackschuhe mehr; sie assen bescheiden, wohnten in der
dritten Etage und gingen nur nachts oder bei Sonnenuntergang aus; Henry hätte nicht mit ihr am hellichten
Tag zu einer belebten Promenade, ins Theater oder in ein Konzert gehen und sich so ärmlich gekleidet mit ihr
zeigen mögen. Solange sie nicht nur ihm allein gehört hatte, und solange es einen Mann gegeben hat, der
sie in der Welt beschützte, hatte er sich nicht mit all ihren Schmerzem und den Erniedrigungen, denen sie
ausgesetzt sein mochte, solidarisch gefühlt; aber jetzt, da er für ihr Glück verantwortlich war,
musste alles, was es antastete und beeinträchtigte, vorausschauend erkannt und aus dem Weg geräumt
werden. Oh! wie er unter diesem Auseinanderklaffen der Dinge und der Bedürfnisse seines Herzens litt! was
für Qualen! welcher Unmut! Man veranstaltet Geldsammlungen für die Armen, die ihren Frauen kein Brot
zu essen geben können, aber meinen Sie nicht, dass diejenigen, die gekleidet und genährt sind, ihnen
aber keine Blumen schenken können, nicht auch beklagenswert sind?
Wenn sich ihnen auf der Strasse zwei jung Vermählte frei und locker, die Arme untergehakt, sich unterhaltend
und anlächelnd, hübsch herausgeputzt und mit vergnügten Gesichtern näherten, dann lenkte Henry
unvermittelt die Aufmerksamkeit Émilies in eine andere Richtung, um sie von diesem Anblick abzulenken.
Desgleichen stand ihm, wenn sie vor den Schmuckgeschäften stehenbleiben wollte, um die im Licht funkelnden
Diamanten zu betrachten, oder die grossen hinter den Scheiben herabhängenden Kaschmirteppiche mit den
farbigen arabischen Mustern, oder die Spitzen, die Krägen und Manschetten, die Taschentücher, die mit
dem Weiss ihres zarten Gewebes wie Schnee erstrahlten, vor Scham der Schweiss auf der Stirn, da er nicht
augenblicklich all diese Phantasien und Lockungen, die dabei aufkommen mussten, erfüllen konnte.
Je mehr sie ihn liebte, es ihm sagte und ihm ihr Innerstes preisgab, umso mehr lasteten diese Beweise ihrer Liebe
wie eine zu schwere Bürde auf ihm; ihre Hingabe, für die von seiner Seite nichts zurückkam, erschien
ihm als der bitterste aller Vorwürfe, und all das, was sie ihm an Liebe und an Zärtlichkeiten gab, wie
eine Art Almosen, wie eine erdrückende Freigebigkeit.