Die erste Éducation Sentimentale


    Sie hatten sich unmerklich voneinander entfernt, doch dadurch, dass sie nun durch diese gemeinsame Hoffnung mehr miteinander verbunden wurden, erwachte ihre erschlaffte Liebe plötzlich von neuem angesichts des Glücks, das ihnen in einer unzweifelbaren Zukunft winkte, womit eine neue Illusion den bereits vorhandenen hinzugefügt wurde, deren Opfer Henry erneut war. Er war so voller Zufriedenheit, zu den vertrauten Hausgöttern zurückzukehren und ein gesicherteres Leben aufzunehmen, dass er annahm, Émilie wäre ein Teil seiner Freude und er würde sich ohne sie weniger glücklich fühlen, woraufhin er sie dafür im Voraus liebte, als eine Folge der neu aufkommenden Liebesfreuden, von denen er glaubte, dass sie die Ursache sei.
    Alles, was ihnen in Amerika gefehlt hatte, alles, was ihrem Gelübde entgegengestanden hatte, verlegten sie nun, mit denselben Bedingungen für die Zukunft, wie sie für die Vergangenheit bestanden hatten, nach Europa. Während sie sich immer noch ein nicht enden wollendes Wohlleben erhofften, das es nie geben würde, hätte niemand ihnen dies verherzusagen gewagt; sie glaubten jedoch daran, und sie bekamen im Voraus Herzklopfen, so wie man in jedem neuen Jahr entgegen aller Erfahrung der vorangegangenen immer unwillkürlich auf etwas Unvorhergesehenes wartet, das passieren soll und das etwas Besseres ist. Doch welch ein Unterschied zwischen dem, was sie jetzt empfanden und dem, was sie zwei Jahre zuvor in ähnlichen Umständen verspürt hatten! Jetzt waren sie fröhlich, doch es war eine Art von Genugtuung, die man unterdrückt und die man fast auslöschen möchte, derer man sich schämt, wohingegen die Traurigkeit bei ihrer Abfahrt, als sie gemeinsam in Richtung eines unbekannten Erdteils und in eine unbekannte Zukunft flohen, eher eine dieser süssen, mit Lust vermischen Traurigkeiten war, die von einer gewissen Wehmut sind und die gleichzeitig etwas von Hoffnung und von Erinnerung haben, denn sie sind schmerzlich und man liebt sie.

    Der Zufall wollte es, dass der Kapitän Nicole gerade in New York und bereit zum Auslaufen nach Frankreich war; sie entschieden sich für sein Schiff, und da alle Kabinen frei und sie die einzigen Passagiere waren, nahmen sie wieder die ihren. Es war eine herrliche Überfahrt, schöner als bei der Hinfahrt; es gab wieder den Mond, der sich auf den Fluten spiegelte und die Segel weiss erstrahlen liess.
    Nach dem Abendessen setzten sie sich auf das Achterdeck, um den Geräuschen der Schiffswinde und der Ketten, dem grossartigen Murmeln, das in der Tiefe des Horizonts toste, den Wellen, die an den Bug klatschten, zu lauschen, es war dieselbe Harmonie, doch erfreute sie weniger ihre Ohren, und ihre Herzen öffneten sich nicht mehr, um ihre Schönheit aufzunehmen, es war ihnen alles altbekannt.
    Obwohl Henry diesmal das Meer besser vertrug, erschien ihm die Reise länger; er fiel fast in Ohnmacht, als die Küste Frankreichs in Sicht kam. Von Le Havre nach Paris passierten sie dieselben Ortschaften, sahen sie dieselben Bäume, grün wie damals und immer noch jung, sie hatten in der Zeit, als sie sie nicht gesehen haben, zweimal geblüht.