Die erste Éducation Sentimentale


    In Paris angekommen stiegen Henry und Mme Émilie in einem Hotel an der Haltestelle der Postkutsche ab, bis sie eine passende Wohnung in einer ruhigen Gegend fern von der Innenstadt gefunden haben würden.
    Henry suchte sehr bald Morel auf, um Neuigkeiten von seiner Familie zu erhalten und zu erfahren, wie die Dinge standen.
    Von allen Seiten wurde er gedrängt, Mme Renaud zu verlassen und als Alleinstehender das eheliche Zusammenleben zu beenden; Morel selbst nahm sich der Sache an, setzte seine Beredtsamkeit ein und bemühte seine Dialektik und hatte schliesslich Erfolg, was ihn selbst überraschte, denn es kostete ihn weniger Mühe, als er zunächst angenommen hatte, da Henry sich leicht überzeugen liess.

    Henry hatte in Aix einen alten Onkel, ein Ölhändler; zu ihm schickte man ihn, damit er seine Kurse in legislativem Recht fortsetzen und versuchen sollte, sich darin lizensieren zu lassen. Auf diese Weise, so dachte sich Morel, würde er Mme Renaud nicht mehr sehen und sie vielleicht vergessen. Henry reiste also in die Provence ab, nicht ohne Émilie versprochen zu haben, dass sie sich bald wiedersehen und er ihr häufig schreiben würde: diese beiden fern von ihr verbrachten Jahre waren nur ein schmerzhaftes Zugeständnis an seine Eltern, um ihrem Gerede und ihren Vorhaltungen zu entgehen.
    In den ersten sechs Monaten schrieben sie sich tatsächlich regelmässig jede Woche; sie sprachen über ihre Vergangenheit, über ihre bereits gealterte Liebe, über die mit Clematis bewachsene Gartenlaube, die Unterhaltungen von damals im Salon, ganz allein im Tête-à-tête und aufrecht in einer Fensternische stehend, über ihren Aufenthalt in Amerika, den sie manchmal vermissten, die Städte, in denen sie zusammen gewesen waren, schliesslich über ihr Schiff, das Meer, die Abende, die auf der Brücke dahinflosssen, über die Tauben an Bord, die angeflogen kamen, um ihr aus der Hand zu fressen, sowie über den alten schwarzen, mit einem Hermelinpelz gefütterten Samtmantel; sie wiederholten sich immer dieselben Zärtlichkeiten, beklagten sich mit immer denselben Ausbrüchen, doch jeder brauchte immer länger, um seine Worte zu finden, und immer weniger flossen ihnen aus der Feder.
    Nach und nach wurde der Umfang ihrer Briefe immer kleiner und sie vergrösserten den Zeilenabstand; am Ende eines Jahres quälte Henry sich regelrecht, da er wieder auf den ewigen sehnsüchtigen und zornigen Stil zurückgreifen musste, der ihm früher so leicht gefallen war; desgleichen öffnete er nur widerwillig die Briefe der Mme Renaud, die mit den immergleichen nichts- sagenden Wiederholungen angefüllt war.
    An den Sonntagabenden hatte er mehr Vergnügen daran, die hübschen Mädchen der Provence im Schatten der Olivenbäume Sarabanden tanzen zu sehen. Auch stahl er sich von Zeit zu Zeit mit zwei oder drei ulkigen Freunden bis nach Marseille fort, um in der Réserve eine Bouillabaisse zu essen oder in der Bucht von Oursins eine Angeltour zu machen, um Thunfische zu fangen.