Die erste Éducation Sentimentale


    Jules suchte in diesen monotonen und gleichzeitig wütenden, klagenden und irren Lauten irgendeine Art von Unterschieden zu entdecken; er bemühte sich, sie vorherzusehen und den Sinn, die Sache, die Mitteilung, den Hinweis oder die Klage zu erfassen, die sich darin ausdrücken wollte; doch sein Ohr empfing immer nur dieselben fast ununterbrochenen, schrillen, immer gleichen Schwing- ungen, die pausenlos aufeinander folgten. Obwohl von ihnen ermüdet und irritiert, nahm er alle seine Geisteskräfte zusammen, um sie zu verstehen, dabei stiess er ungewollt und unerwartet, um einen Zugang zu den von der Stimme enthüllten Geheimnissen zu erhalten und sie dieser Sprache zu entlocken, auf eine Macht, die für ihn unüberwindlicher war als eine verschlossene Tür. Aber nichts geschah, nichts trat ein, den Bemühungen seiner Intelligenz zum Trotz, um in diesen Abgrund hinabzusteigen; der Wind blies und pfiff, der Hund heulte.
    Dann erinnerte er sich, dass er eines Tages – oh! wie lange das her war! – zu dieser Brücke gekommen war und dass er hatte sterben wollen. War es das, was das unheimliche Tier, das ihn umkreiste, ihm sagen wollte? Was gab es nur in dem Flüsschen, das dort versteckt war, dass der Hund unablässig an seinem Ufer entlang lief und, wie es schien, immer wieder von der Richtung der Quelle flussabwärts in Richtung der Mündung lief, wie um anzuzeigen, dass irgendetwas hineingefallen und abwärts getragen worden war? Handelte es sich nicht um Lucinde? grosser Gott! war sie es? sollte sie es sein, ertrunken und von der Strömung in die Tiefe gerissen? so jung! so schön! tot! tot! Und wie sein Blick in die Dunkelheit eintauchte, erwartete er, da vorn, in der Ferne, etwas zu erkennen... er sah sie in ihrem weissen Kleid, mit ihren weit ausgebreiteten langen blonden Haaren, die Hände auf ihrer Brust gekreuzt, wie sie langsam dahintrieb und von den Wellen davongetragen wurde; sie befand sich vielleicht dort, an jenem Ort, vom kalten Wasser umgeben und auf dem Grund des Flusses auf grünlichen Kieseln liegend! "Ist es das, was du mit deiner Stimme, die jammert, wie wenn du an einem Grab heulen würdest, sagen willst?" Und er stellte sich ihren Leichnam vor, mit halb geöffnetem Mund und geschlossenen Augen.

    Die Wolken öffneten sich, und der Mond, der sich aus ihren grauen Schwaden löste, erschien vor dem Hintergrund des tiefblauen, von schwarzen Gewitter- wolken eingerahmten Himmels; sie zogen schnell heran und verflüchtigten sich oben am Himmel; der aufsteigende Mond verfolgte seine Bahn; hin und wieder fiel ein Strahl auf den Fluss oder aber er liess in der Ferne die Wasserlachen aufleuchten, die in den Wagenspuren der Hohlwege standen. In diesem Augenblick fiel sein Licht auf den verfluchten Hund, der immer noch heulte; es beleuchtete seinen Kopf; in der Dunkelheit schien es so, als kämen aus seinen Augen zwei kleine flackernde Flämmchen, die genau auf das Gesicht Jules' gerichtet waren und sich mit seinem Blick trafen; dann vergrösserten sich auf einmal die Augen des Tieres und nahmen menschliche Formen an, eine menschliche Regung zuckte darin auf und trat hervor; daraus erwuchs eine sympathische Ausstrahlung, die sich mehr und mehr herausbildete, weiter anwuchs und mit einer grenzenlosen Verführung von einem Besitz ergriff. "Bist du nicht ein Freund, fragte er sich, dass du mich auf diese Weise ansiehst, als wolltest du meine Freundschaft? was willst du von mir?"