wobei alles drunter und drüber ging, chaotisch, derart durcheinander und wirr, dass alle Theorien ihren Tag,
alle Vorstellungen ihren Auftritt hatten und der Glaube, der Zweifel, Begeisterung und Überdruss, Korruption
und Rechtschaffen- heit, Verrat und Heldentum nacheinander und nebeneinander auftraten, häufig in demselben
Ereignis, bei demselben Volk, manchmal in derselben Person, so dass beim Betrachten dieser endlosen Reihe nichts
Gemeinsames mehr zu entdecken war, fragte er sich darüber hinaus, ob eine solche Epoche dem, der über
sie nachdachte, nicht eine grössere Breite und Anschauung und dem Künstler eine grössere Freiheit
liess als dem Betrachter einer Gesellschaft, die erstarrt ist, in der, da alles eingeschränkt, geregelt und
festgesetzt ist, der Mensch gleichzeitig weniger Spielraum zum Handeln hatte und die Vorsehung ihn weniger handeln
liess. Doch aus diesem Überfluss an Material ergibt sich für die Kunst eine Schwierigkeit, sie weiss
nicht, was sie mit diesem monumentalen Gebäude machen, wie sie es durchdringen kann; um es in den Griff zu
bekommen und mit ihm umzugehen, muss sie es irgendwie festmachen; die Geschichte wird nur durch das Erzählen
schön, und die herrlichsten Paläste geben ihren Wert erst als Ruinen preis. In seiner Liebe zu dem
Schönen kann der Künstler manchmal diese zusammengefallenen Portale und die beschädigten Statuen
bedauern; doch wenn er im Interesse seines Denkens wüsste, wie sehr die Vergangenheit von unendlicher Natur
ist und dass sie, je ferner die Perspek- tive des Betrachters ist, sie umso schöner wird, dann wäre er
versucht, den Wind zu begrüssen, der die Steine versetzt, und den Efeu, der sie überwuchert.
Jules kam somit zur Überzeugung, dass es grossartige Kunstwerke über das XIXte Jahrhundert zu
schaffen gibt, wenn man einen genügend grossen Abstand zu ihm haben wird, der noch nicht so gross ist, dass
die Einzelheiten verloren- gehen, und auch nicht so nahe, dass sie sich vor das Gesamtbild schieben.
Er hatte auch erfahren – er hatte es in einer Revue gelesen –, dass, nachdem als Folge der
politischen Entwicklungen der Nation die Charaktere der Einzelnen reifer geworden und die Standesunterschiede sich
ausgeglichen und die Bedin- gungen einander angenähert hätten, die Komödie unmöglich geworden
und somit eine ganze Kunstgattung verlorengegangen wäre; nun gut, er war auf lange Sicht vom Gegenteil
überzeugt. Es ist richtig, der Sinn für das Komische erschien ihm weniger natürlich als der für
das Tragische, und er vermengte, in der Literatur ebenso wie in der Realität, häufig die
Genres.
Er ging nach Paris, besuchte Vorlesungen an der Sorbonne, und seine kürz- lich gewonnene Überzegung
wurde dadurch nicht umgestossen; als er hörte, wie Professoren Regeln des Geschmacks aufstellten, und
wie Leute, die nicht imstande waren, auch nur vier Zeilen zu schreiben, darüber lehrten, wie man beim
Schreiben eines Buches vorgehen müsse, amüsierte er sich mehr und lachte aus vollerem Herzen, als
wenn er einen Affen gesehen hätte, der einen Mann rasiert, oder einen als Soldat kostümierten
Pudel, der im Zwölfertakt das Gewehr lädt.