Je weiter er ging, umso weniger Verbindungen mit ihm selbst stellte er bei anderen fest. Wenn er mit einem
Freund in einem Restaurant essen ging, dann bestellte der Freund immer solche Speisen, die überhaupt nicht seinem
Geschmack entsprachen, und er wählte einen Bordeaux, wohingegen er selbst sich einen Burgunder gewünscht
hätte. Der Schnitt seines Hausanzugs und die Farbe der Stoffe, mit denen er sich kleidete, wurden allgemein
von allen getadelt. Wenn er jemandem ein Gechenk machen wollte, dann wählte er immer solche hübschen
Sachen, die nie Gefallen fanden. Er ging nie mehr ins Theater, weil die Pfiffe ihm die schönsten Stücke
verleideten und er darunter litt, wenn er eine bestimmte Art zu applaudieren vernahm.
Er vermied den Widerspruch eher, als dass er ihn suchte, aber da er die Meinung von niemandem teilte, behielt er
seine für sich; folglich warf man ihm Scheinheiligkeit vor, weil er höflich sein wollte, anstatt sich zu
Bosheiten hinreissen zu lassen.
Bewunderte er ein Gemälde, dann stiess er auf Leute, die sich darüber totlachten, wie der Maler die
Knöpfe der Kleidung nachempfunden hatte. Ging er in ein Beethoven-Konzert, dann sah er Leute, die beim ersten
Einsatz gähnten oder mit den Füssen stampften. Sprach er über Shakespeare, dann antworteten die
selbsternannten Klassiker ihm mit einem mitleidigen Lächeln und die sogenannten Romantiker mit
unartikulierten Schreien; gestand er, dass er mit Vergnügen Die Jungfrau las, dann hielt
man ihn für einen Lüstling, oder aber die Kenner zitierten ihm auf der Stelle das Bild der
ehelichen Liebe oder den Portier des Chartreux.
Hin und wieder liess er sich, ermutigt durch Anzeichen von Sympathie, dazu hinreissen, seine Meinung darzulegen
oder eine Empfindung auszubreiten, doch bald begegnete er bei denen, von denen er angenommen hatte, sie würden
ihn verstehen, einem so eingeschränkten Verständnis, dass er sich, obwohl anfangs von demselben
Standpunkt ausgehend, auf einmal unendlich weit entfernt befand und er fortfuhr, nur für sich selbst zu
sprechen.
Sodann verbot er sich, jemals wieder über Kunst und Literatur zu sprechen. Eines Tages geriet er
unglücklicherweise in einen Zirkel von Historkern, die über die Französische Revolution und
ihre grossen Männer stritten; einer betrachtete Robespierre als einen "blutrünstigen Tiger", ein
anderer als den sanfstesten Gesetzgeber, den man je gesehen habe; der "Berg" in der Nationalversammlung wurde
entweder als die heilige Streitmacht oder aber als ein Schlupfwinkel von Räubern behandelt; ein dritter
schliesslich pries die Revolution in ihrem Grundsatz sowie in ihren Resultaten, wobei er die Exzesse beklagte,
"die sie besudelt hätten". Von da an vermied Jules es, über Geschichte zu sprechen.
Blieben noch die ewigen Gemeinsamkeiten, die den unerschöpflichen Vorrat für die Gespräche der
Menschen untereinander darstellen, Berührungspunkte, in denen der letzte Flegel und das grösste Genie
der Welt sich ähneln, ich will sagen der Wein, das liebe Frauchen und die Mädchen; doch abgesehen von
der Eintönigkeit des Themas war Jules immer überrascht von der geringen Lasterhaftigkeit der
Wüstlinge, dem kleinen Magen der Schlemmer, und dem Geiz der Verschwender.