Die erste Éducation Sentimentale


    Nichts wäre unzutreffender als den Schluss zu ziehen, dass er vor allen eine Komödie aufführte, nein, er hatte sie alle, eine nach der anderen, wirklich geliebt, er war in seiner Leidenschaft zur ersten fast ein Mystiker, ein Liederjan und Possenreisser bei der zweiten, literarisch und elegisch bei der dritten; haben nicht alle bei der Hochzeit Lust zu tanzen, wenn sie die Geigen ertönen hören, und einen Drang zu weinen, wenn sie bei einer Beerdigung hinter dem Leichenwagen gehen, auch wenn man sich über die Braut wie auch über den Verstorbenen lustig macht? es kommt daher, weil unsere natürliche Fröhlichkeit von der Fröhlichkeit angestachelt wird, mit der man uns begegnet, und unsere angeborene Traurigkeit von der Traurigkeit, die wir unter unseren Schritten finden.
    Henry tat also nichts anderes als seinem Trieb einer tiefempfundenen Liebe zu folgen, wenn er eine sanftmütige Frau mit reinen Augen und christlichem Gebaren liebte, deren Nachttischchen ein Büschel geweihten Buchsbaums zierte, deren Ausdrucksweise salbungsvoll und sanft war wie ein Gebet, von einer nach Weihrauch duftenden Hingabe und durchdrungen von Treuherzigkeit; so gehorchte er folglich auch einem Bedürfnis nach einem Dasein, das erfüllt war von heftigen Empfindungen und turbulenten Vergnügungen, wenn er sie mit einer zu teilen suchte, die ihm dies bot; einer, die ganz in Luxus und wohlklingender Eitelkeit lebte; wenn er hingegen der schlanken Dame schöne Augen machte, die so geschwollen redete und einen Lorbeerkranz in ihrem Haar trug, dann deshalb, weil er sich jemanden wünschte, die empfindsam über empfindsame Poesie reden konnte, die ihm unmittelbar Hinweise auf all die ergreifenden Stellen geben konnte, an denen er in den Büchern das Schöne auffinden würde, so dass er am Ende das Genie entdeckte, dessen Nähe er suchte, um es zu beherrschen.

    Das, was er mit diesen drei Frauen erlebte, ereignete sich auch bei seinen anderen Beziehungen, denen, die er in der Folge hatte sowie denen, die er gern gehabt hätte.
    Zunächst studierte er ihre Charaktere – dabei wandte er seine Sorgfalt an – auch übernahm er dabei zwangsläufig einiges von ihrer Natur, dessen er sich eifrig befleissigte, also all die Eigenheiten und Gewohnheiten; er übertrieb seine Begeisterungen, posaunte seine Antipathien heraus, übernahm ihre Neigungen derart, dass er sich in ihrem Schlepptau an sie hängte und das Abenteuer zu einem Ende brachte.
    In dem Masse, wie die Frau, die er liebte, ihn noch mehr liebte, gewann er Terrain zurück, er wurde wieder er selbst, der Fluss seines Herzens kehrte in sein normales Bett zurück; die Leidenschaft gelangte nach und nach an ihrem Ende an, wobei sie einer Bahn folgte ähnlich der, auf der sie ihren Höhepunkt ereicht hatte, so wie ein Sportsfreund, der auf einer Rutschbahn auf der einen Seite hochsteigt und auf der anderen hinabrutscht; doch es geht abwärts schneller als aufwärts, daher gibt es unten gewöhnlich einen heftigen Aufprall, was ihm einen Aufschrei entlockt.
    Welche Überraschung, welch ein Schmerz für die, welche von ganz hoch fallen! schwache Herzen – es sind manchmal die stärksten – zerbrechen daran und gehen daran zugrunde; die Heftigkeit ihres Sturzes geht in der Tat mit dem Quadrat der Geschwindigkeit.