Die erste Éducation Sentimentale


    So nimmt er, wenn er viele ausgeführte Ehebrüche beobachtet hat, nicht von denen Notiz, die in Gedanken begangen werden; er hat die Leidenschaft klassifiziert und das Herz in getrennte Bereiche eingeteilt; darauf beruht die Ruhe seines Lebens inmitten der Turbulenzen der Welt, daher auch der künstliche Charakter seiner Intelligenz, auch wenn sie weite Bereiche umfasst.
    Er hatte sich zunächst dem Studium der Künste gewidmet, hatte es aber dann beendet, da er nichts mehr sah, das er dabei noch lernen könnte, ein sicheres Zeichen dafür, dass er nichts gelernt hatte, und hat sich vollständig auf das praktische Leben gestürzt, in dem er sich mit der Zeit zu einem Meister entwickelt. Er liess die Malerei fallen, weil er die Landschaften immer falsch und die Porträts nie der Person ähnlich fand; was die Bildhauerei betrifft, so ist er immer entsetzt über die Kälte seiner Gruppen und die Erstarrung seiner Gestalten.
    Die alte Vorliebe, die er sich für die Literatur erhalten hat, besteht nur noch als Erinnerung an eine Anwandlung von früher, als dass sie auf einem wirklichen Drang beruht. Wenn er sich daran macht, ein Werk zu ergründen, dann befasst er sich so aufmerksam mit seiner äusseren Form, dass er sehr bald den Sinn aus dem Auge verliert und es fast immer unzulänglich findet; so wie er nicht das Bedürfnis, aus dem es geschaffen worden ist, begreift, so bemängelt er genau das, was in ihm bedeutsam ist, und geht darüber hinweg, ohne das darin ent-haltene Erhabene wahrzunehmen; er wird nicht die tiefe Genauigkeit eines ungenau formulierten Satzes bemerken, ebensowenig wie den Wohlklang eines geprochenen Taktes, er spürt nicht das Alter dessen, das brandneu ist, noch die modernen Zeiten in dem, das an ihnen schmerzhaft ist.

    Er hat einen Typ undeutlich vor Augen, mit dem er das, was er in der Kunst sieht, ebenso wiedergibt wie das, was er in der Welt fühlt; für ihn muss die Tragödie auf eine bestimmte Weise, das Drama auf eine andere gemacht und der Roman in einem ganz besonderen Stil geschrieben und Geschichte unter bestimmten Anforderungen verfasst sein; es gibt Fakten, die Überlegungen von einer vorhergesehenen Art nach sich ziehen müssen, so wie eine Leidenschaft, die mit bestimmten Farben dargestellt werden muss. Sogar was den Humor und die Phantasie betrifft, hat er Grundsätze; er wünscht sie sich manchmal in solchen Augenblicken, in denen er sie selbst gespürt hätte; er kann nichts Phantastisches entdecken ausser bei [E.T.A.]Hoffmann und keine Romantik, die über Byron hinausgeht.
    Er glaubt das Theater gut zu kennen, weil er auf den ersten Blick alle Verästelungen eines Melodrams und die Absichten einer Komposition erkennt, aber da er zu sehr durch die äusserlichen Eindrücke gefangen ist, sieht er weder die feinen Wirkungen noch das Zusammenspiel der Charaktere, weil er sich ganz von den der Szenen einfangen lässt, noch das Gegeneinander der Situationen, weil er nur auf das Geschehen achtet; er gilt als jemand, der ein feines Gespür hat, denn er entdeckt die glücklichen Zwischentöne, den springenden Punkt oder das zufällige entscheidende Wort; doch es ist genau der Geschmack, oder das, was man so nennt und das das Gegenteil vom wahren, vom göttlichen Geschmack ist, worin sein Vergehen besteht.