Die erste Éducation Sentimentale


    Das, was sie jetzt sind, was sie tun, wovon sie träumen, ist das Ergebnis dessen, was sie waren, was sie taten, wovon sie träumten. Jeder Tag im Leben eines Menschen ist wie das Glied in einer Kette, jedes ist mit den anderen verbunden, das folgende mit dem, das nach ihm kommt, alle werden gebraucht und sind zusammengeschweisst; doch mag die Kette, zu der sie sich auf diese Weise verbinden, aus Gold oder aus Eisen sein, die vergangenen waren nicht schöner, die, welche man noch erleben wird, werden nicht schlimmer sein, und im Ganzen wird ihr Gewicht nicht grösser sein.
    Die zum Handeln bestimmten Männer versieht die Vorsehung zur rechten Zeit mit dem, was sie später handlungsfähig macht, sie verleiht ihnen Leidenschaften, wenn es gilt zu handeln, Ziele, die mit List zu erreichen sind, Abenteuer, die ihre ganze Tatkraft erfordern; sie durchlaufen in ihrer Jugend eine Bahn ähnlich der, die sie später zu durchlaufen haben werden; sie werden auf eine allgemeinere Art das durchleben, was sie schon einmal durchlebt haben, werden im Grossen das anwenden, was sie schon einmal in einem besonderen Fall, in einem gewöhnlichen Zusammenhang gemacht haben, so wie man die grossen philologischen Abhandlungen liest, nachdem man sich mit den elementaren Grammatiken, mit Girault-Duvivier nach Noël und Chapsal und Mattiac nach M.Burnouf beschäftigt hat.

    Die erste Liebe hat Henry die Köstlichkeiten der nachfolgenden mit all ihren Wendungen auskosten lassen; er hat sich mit Stolz gewappnet, die Vergeb- lichkeit erlebt, in sich verankert, dass es weitere Empfindungen gab, die sich in tausend andere Dinge verästelten; Henry hatte das Leben erlernt, wie man reiten lernen sollte, nämlich indem man zuerst Wildpferde besteigt, die euch mit dem ersten Aufbäumen töten können; die euch jedoch nach kurzer Zeit begreifen lassen, wie man es angehen muss.
    Am Anfang war er geliebt worden, er hatte sich dieser Liebe ganz überlassen, wollte sie verstärkt erwidern, und daraufhin ist sein Schmerz angewachsen; er war auf einen Mann eifersüchtig, er hat sie verlassen und verfiel in noch grösseren Kummer; er hat das Elend erlebt, es ist ihm zweimal widerfahren, dann hat er die Mittel entdeckt, die nötig sind, um sich da herauszuarbeiten, und bemühte sich, sie sich anzueignen; er war der normalen Dekadenz einer Leidenschaft verfallen, die er für ewig hielt, und erfuhr durch die Folgen, dass sie bei der Frau, die ihn geliebt hatte, ebenso auftreten musste, wie er selbst es durchgemacht hatte; sein Kummer ist vergangen, andere Beziehungen folgten, sie gingen noch schneller zu Ende; andere Überzeugungen folgten, sie gingen ebenfalls vorbei, und er hat dabei eine Reihe von Erfahrungen gesammelt, in Bezug auf die Frauen, die er deswegen geliebt hat, in Bezug auf die Männer, die er getroffen hat, sowie in Bezug auf sich selbst, der dadurch gelitten hat; er hat sich gerade so viel Energie bewahrt, um auf dem Boden der Tatsachen anzukommen, zudem so viel Liebe, um sich Vergnügungen hinzugeben; dieser Lehrgang war hart genug, um ihn stärker werden zu lassen, jedoch nicht so sehr, dass er ihn überfordert hätte.

    Was Jules betraf, so war er zuerst in seinem drängenden Verlangen gehemmt und blieb, verwirrt durch seinen Hunger, enthaltsam; er liebte und wurde in dieser Liebe getäuscht, enttäuschte Liebe und gegesätzliche Neigung haben sich in einem einzigen Schmerz vereint, haben sich durchdrungen und sich gegenseitig mit Poesie verziert; er hat sich immer mehr abgeschottet, da er in diesem Schmerz einen Ort für sein Herz und für seinen Kopf fand, denn er bot seinem Empfinden wie auch seiner Vorstellung Nahrung.