Er nimmt am Gebet des Priesters teil, an der Niederlage der Besiegten und am Siegesrausch der Eroberer;
er hat Verachtung für die Henker und empfindet Zuneigung zu den Opfern; er liebt das Rasseln der
Weihrauchfässer, den Klang der Damaszenerschwerter und das Lächeln der Frauen. Er hebt abgebrochene
Blumen auf, streichelt Tiere, spielt mit den Kindern, er beklagt die Sattheit der Reichen und die Begehrlichkeit
der Armen; er empfindet Mitgefühl für die Erwartungen ebenso wie für den Abscheu und Nachsicht für
das Glück ebenso wie für das Unglück. Ohne Begeisterung und ohne Hass sympathisiert er mit allem,
was schwach ist, bewundert er die Kraft und betet die Schönheit an.
Ist er eigentlich arm? ist er, der in seiner Seele alle Reichtümer der Welt vereint, für den das
Gold glänzender und der Marmor weisser ist, für den der Luxus heller erstrahlt als für die, die
darin leben, ganz ohne Macht? Die Macht birgt unbekannte Kräfte für die Mächtigen, der Wein einen
unbekannten Geschmack für die, die ihn trinken, die Frau unentdeckte Gelüste für die, die sich mit
ihnen vergnügen, und die Liebe eine seltsame Poesie für die, die von ihr erfüllt sind.
Sein Leben ist undurchsichtig. An der Oberfläche ist es für andere und für ihn selbst trostlos
und fliesst in der Eintönigkeit immer gleicher Verrichtungen und immer gleicher einsamer Betrachtungen dahin;
nichts gibt ihm neuen Schwung oder beflügelt es, es erscheint rau und hart und bietet einen kalten Anblick; im
Innern jedoch erstrahlt es in magischer Klarheit und mit lodernden Wollüsten; es ist ein von der Sonne ganz
durchdrungenes orientalisches Himmelsblau.
Der Reisende, der an der Spitze der Pyramide angekommen ist, hat zerkratz- te Hände und blutige Kniee, um
ihn herum ist Wüste, das Licht blendet ihn, eine drückende Luft nimmt ihm den Atem; überwältigt
von Erschöpfung und geblendet von der Helligkeit lässt er sich kraftlos inmitten von Vogelschwärmen,
die hierher gekommen sind, um zu sterben, auf einem Stein nieder. Doch hebe den Blick! sieh nur, sieh! und du wirst
Städte mit goldenen Kuppeln und Minarette aus Porzellan erblicken, auf Sockel aus Alabaster errichtete Paläste
aus Lava, von Marmor eingefasste Becken, in denen die Sultansfrauen ihre Körper baden, wenn der Mond
die Schatten der Gebüsche blauer und den silbrigen Strahl der Brunnen durchsichtiger erscheinen lässt.
Öffne die Augen! öffne die Augen! diese kahlen Berge haben an ihren Flanken grüne Täler, in
diesen Bambushütten erklingen Liebeslieder, und in jenen alten Gräbern ruhen ehemalige gekrönte
Könige. Es sind die Schreie der Adler in den Wolken zu hören, das Glöckchen eines Klosters ertönt
in der Ferne; da gibt es Karawanen, die sich in Marsch setzen und Boote, die den Fluss hinabgleiten; die Wälder
breiten sich aus, ebenso wie das Meer, der Horizont dehnt sich aus, berührt den Himmel und verschmilzt mit ihm.
Sieh hin! spitze die Ohren! höre und halte inne, o Reisender! o Denker! und dein Durst wird gestillt sein und
dein ganzes Leben wird an dir vorüberziehen wie ein Traum, denn du wirst spüren, wie deine Seele hin zum
Licht entweicht und in die Unendlichkeit fliegt.
Das Dasein Jules' ist lautlos wie die Wüste, abgelegen und ebenso unwirtlich, ohne schattige Orte und
murmelnde Quellen, es ist heiter wie sie, reich an goldenen Horizonten, an unerwarteten Schätzen wie sie; es
schliesst das Echo aller Winde, aller Unwetter, aller Seufzer, aller Schreie, aller Freuden, aller Verzweiflungen in sich ein,
Schwindel erfassen sein Denken, Empfindungen regen sich in seinem Herzen und fleischliche Gelüste durchströmen
ihn.