Die erste Éducation Sentimentale


    Sein Leben lehnt sich an seine Gedanken an, so wie ein Kleidungsstück, das ihn bedeckt, sich an ihn anschmiegt; er geniesst seine Kraft aus einem Bewusstsein seiner Kraft; er ist mit allen Elementen verästelt und verdankt ihr alles, und er verwirklicht sich vollständig in seiner Berufung, in seiner Mission, im Geschick seines Genies und der ihm auferlegten Arbeit, – ein allumfassender Pantheismus, der ihn beseelt und in der Kunst zum Ausdruck kommt.

    Als Organ dieser Bestimmung und Verbindung dieser beiden Begriffe betrachtet er von nun an sich selbst ohne Eitelkeit oder Selbstgefälligkeit. Welch geringen Platz er zwischen der Inspiration und der Verwirklichung einnimmt! wenn er sein Talent einschätzt, dann indem er es mit dem der anderen vergleicht, nicht jedoch indem er die Schönheit dessen bewundert, was es zu sagen hat; er schätzt seine Vorhaben dadurch noch mehr, doch sind sie erst geschaffen, erinnert er sich kaum noch an seine eigenen Werke und kümmert sich noch weniger um ihr weiteres Schicksal, so wenig wie er wegen ihrer Entstehung besorgt war. Er kümmert sich auch kaum um den Ruhm; was er vor allem geniesst, ist die Befriedigung durch seinen Geist, wenn er sein Werk betrachtet und es für sich angemessen erachtet; wenn er sich hin und wieder doch etwas vom Ruhm wünscht, dann deshalb, weil er seiner Meinung nach die Grösse vollkommen macht und ihr noch etwas hinzufügt; es ist ein Gefühl der Verpflichtung, den Menschen das zurückzugeben, was sie ihm gegeben haben, ihren Geist zu durchdringen, in ihren Gedanken, in ihren Leben Gestalt anzunehmen, um sie das würdigen zu sehen, wofür sie Hochachtung haben, und sich von dem mit Leben erfüllen zu lassen, wofür sie sich begeistern. Was bedeutet der Erfolg! ist der Gesang der Nachtigall, wenn niemand da ist, um ihm zu lauschen, weniger schön? Ist der Duft der Blumen, die in unerreichbaren Regionen beheimatet sind und den man nicht mit der eigenen Nase einatmen kann, weniger lieblich, wenn er in die Luft verströmt und zum Himmel aufsteigt?
    Er sorgt sich nicht um seinen Namen, schert sich nicht um Tadel oder Lob, die an ihn gerichtet werden, vorausgesetzt dass er seinen Gedanken so ausgear- beitet hat, wie er es vorgesehen hatte, und dass er seine Aufgabe verfolgt und seinem Block den Feinschliff gegeben hat; etwas anderes liegt ihm nicht am Herzen, und alles Übrige beunruhigt ihn nur mässig. Er ist ein ernsthafter und grosser Künstler geworden, dessen Geduld nicht nachlässt und dessen Verpflich- tung gegenüber dem Ideal durch nichts mehr beeinträchtigt wird; durch das Studium seiner Gestalt nach dem Vorbild der Meister, bei dem er sich die Grund- lage dessen, was es beinhalten soll, angeeignet hatte, ergab es sich, dass er ganz natürlich eine neue Ausdrucksform, eine wahre Originalität gefunden hatte.
    Die Geschliffenheit seines Stils ist es, die ihm seine Schärfe gibt, und die Wandelbarkeit, die seine Geschmeidigkeit ausmacht; ohne die Auseinander- setzung mit der Sprache wäre seine Leidenschaft nicht so heftig und seine Hingabe nicht so vollständig.

    Nachdem er von Henry fast im Stich gelassen worden war und er sich seinerseits von ihm abgewandt und sich auf sein eigenes Ich zurückgezogen hatte, ohne seine Ratschläge, ohne regen Austausch, und ohne Publikum oder einen Vertrauten, wenn er den Wohlklang seiner Verse hören will, liest er sie sich selbst vor, wiegt sich in ihrem Rhythmus wie eine faulenzende Prinzessin in ihrer Hängematte aus Seide. Will er seine Dramen aufgeführt sehen, dann legt er seine Hände vor die Augen und stellt sich einen riesigen, weiträumigen und hohen Saal vor, der bis unter die Decke besetzt ist; er stattet seine Aufführung...