Die erste Éducation Sentimentale


    Ihre Freundin Aglaé ist eine Ehe eingegangen, sie hat einen Arzt in einem Dorf in der Umgebung von Paris geheiratet, den sie mit ihren italienischen Kavatinen und ihren unwiderstehlichen schmachtenden Umgarnungskünsten betört hat, der immer noch von ihr hingerissen ist und den sie auf Teufel komm 'raus in Wallung bringt. Sie gibt gnadenlos alles aus, was er verdient; der arme Mann rackert sich ab, ist im Dreck unterwegs und bricht sich den Hals, während Madame in einem bequemen Lehnstuhl an einem grossen Feuer sitzt und den gerade angesagten Roman liest oder die Damen der Gegend zum Tee einlädt und mit ihnen Gebäck verzehrt. Häufig fährt sie auch nach Paris, um einfach nur in ein Konzert zu gehen oder sich ein wenig von der Kunst anzusehen, über die man gerade spricht; sie bleibt mit ihrer Kammerzofe, denn sie benötigt eine Kammerzofe, eine Woche lang weg. So wie früher macht sie lange Besuche bei Émilie und macht ihr vielleicht vertrauliche Mitteilungen ähnlich denen, die sie damals von ihr erhalten hatte. Sie wurde von ihrem früheren Verehrer, dem armen Alvarès, der fast daran gestorben wäre, vergessen.
    Er ist wie sein Kamerad Mendès in ihre Heimat, nach Lissabon, zurück- gekehrt. Gleich nach seiner Ankunft hat er sich in eine seiner Kusinen verliebt, eine Weise ohne Vermögen, deren Vormund sein Vater ist; er liebt sie wie ein Besessener, obwohl sie recht hässlich ist; er will sie unbedingt heiraten, obwohl es sie noch ärmer machen würde; seine Familie ist darüber verzweifelt, doch weder Beschwörungen, noch Ratschläge, noch Appelle an die Vernunft oder die Anführung von Beispielen können etwas ausrichten; es ist eine fixe Idee, er betet sie an, er ist verrückt nach ihr und um seinen Verstand gebracht; keinesfalls wird er nachgeben, denn sie ist eine sehr sanfte und unbedarfte Seele.
    Der gute Mendès hat dagegen einen völlig anderen Weg eingeschlagen. Paris hat ihn, wie es scheint, ziemlich verdorben; er hat in der letzten Zeit seines Aufenthalts die öffentlichen Orte aller Art ausgiebig aufgesucht, war tanzen, hat sich in der Chaumière so ausgelassen dem Cancan, der Mazurka und der Polka hingegeben, hat mengenweise starke Sachen aus kleinen Gläsern und Tassen, Schalen von Punsch und Flaschen von Weisswein getrunken, Pfeifen geraucht und leichte Mädchen aufgesucht, dass er mit einer ganz und gar zivilisierten und pariserischen Lebensart in sein Land zurückgekehrt ist, mit Sitten, die dort bisher noch unbekannt waren, dazu mit einem riesigen Magen und einem ungeheuren Appetit. Zunächst begann er, allen Modistinnen von Lissabon Liebesbriefe zu schreiben und in allen Cafés Schulden zu machen, ohne jemals die Bälger anzuerkennen oder die Schulden zu begleichen; er schockierte die Gesellschaft, es war ein öffentlicher Skandal und man musste ihn per Schiff abschieben. Im Augenblick macht er eine Weltreise, er vergnügt sich mit seiner Flamme aus Brasilien in Japan und setzt seine Sauftouren unermüdlich fort; er wird in bester Gesundheit und in einer noch besseren Laune und dazu völlig verblödet zurückkehren
    Was Shahutsnischbach angeht, so befindet er sich leider in einer beklagens- werten Lage! Dieser ehrenwerte Deutsche gab die Mathematik, nachdem er ein- gesehen hatte, dass sie ihm nicht lag, schliesslich auf und wurde Kassierer bei einem Bankier. Er war ein ausgezeichneter Kassierer, besass alle erforderlichen Eigenschaften, einschliesslich seiner Redlichkeit; doch eines Tages machte sein Arbeitgeber Bankrott und machte sich aus dem Staub, wobei er zudem vergass, ihm für den verflossenen Monat das Gehalt zu zahlen. Daraufhin ist der Königliche Staatsanwalt gekommen, hat in dem Büro niemanden angetroffen ausser unseren Freund, der nichtsahnend an seinem gewohnten Platz sass, und ihn festgenommen; man hat ihn als Komplizen eingesperrt, er wird vor Gericht gestellt und wahrscheinlich auf die Galeeren geschickt werden.