Die erste Éducation Sentimentale


    Morel erlebte ebenfalls einige bittere Enttäuschungen, sogar er, der doch so wenige Illusionen hatte! Nachdem er nacheinander Wechselagent, Anwalts- gehilfe, Rechtsanwalt, Geschäftsmann, Unternehmer und Industrieller gewesen war, sich in allen Tätigkeiten versucht und in jeder hart gearbeitet hatte, ohne dabei reich oder berühmt zu werden, ist er in das Dorf zurückgekehrt, aus dem er einstmals gekommen war, wo er jetzt lebt und die Felder bestellt, die schon sein Vater bestellt hat. Er hat fünfzehnhundert Livres Rente, trägt Stiefel, eine Winterjoppe aus grobem Stoff und im Sommer eine blaue Jacke; abends nach dem Essen raucht er eine Pfeife und liest Béranger, oder aber er trifft sich mit dem Steuereinnehmer und dem Gerichtsvollzieher des Kantons zu Gesprächen, bei denen er seine alten Bonmots wiederholt und seine lustigen Anekdoten zum Besten gibt. Er erzählt ihnen von Paris, von den Bekanntschaften, die er gemacht, und den Gesellschaften, in denen er verkehrt, von den bedeutenden Männern, für die er gearbeitet hatte, ohne die Erniedrigungen zu erwähnen, denen er ausgesetzt war, und die Qualen, die er erleiden musste. Er ist miss- mutig, angeekelt und bissig; er leidet insgeheim, versucht jedoch sich ein wenig schadlos zu halten, indem er allem und jedem widerspricht und im Stadtrat Opposition betreibt.
    Der brave Kapitän Nicole ist ebenfalls nicht glücklich; er hat das besagte kleine Anwesen, das er so begehrt hatte, gekauft und lebt dort, doch er langweilt sich, er vermisst das Meer, er vergewissert sich ununterbrochen, woher der Wind weht, und denkt an sein Schiff. Beneidenswerter war in der Tat das Schicksal seines Schwarzen, er ist an dem Tag, an dem er an Land gehen und seine Hütte wiedersehen sollte, verstorben.
    Ein bewundernswerter Mensch ist Ternande, jener junge Künstler, der immer noch dreibeinige Pferde, schokoladenbraune Bäume und fleischige Formen aus Kitt erschafft. Er hat den grossen Preis von Rom gewonnen, hat dort die drei obligatorischen Jahre verbracht und ist noch anmassender, überheblicher und unausstehlicher zurückgekehrt, als er vorher war. In seinen Augen sind seine früheren Lehrer biedere Leute ohne Ideen und die Modernen talentlose Pinsel; sodann gibt er sich als den ersten Maler der Epoche aus, und man ist versucht, es ihm abzunehmen, da er es mit einer solchen Überzeugung verkündet. Er hat ein schönes Atelier, das mit seinen Meisterwerken vollgestellt ist und in dem chinesische Pantoffeln, arabische Burnusse, Bogen von Eingeborenen, türkische Wasserpfeifen und römische Geldmünzen angehäuft sind; er befasst sich ausschliesslich mit Porträts und verdient damit viel Geld; er ist eine Berühmtheit.
    Auch über M. und Mme Lenoir hat der Himmel seine Gaben ausgeschüttet, und zwar in der Person ihres Sohnes. Er hat lange Zeit seine Artillerieuniform anbehalten, sie stand ihm so gut, wenn sein Papa ihn bei grossen Abend- gesellschaften Fabeln von La Fontaine vortragen liess! allerdings musste man darauf verzichten, als man ihn in Pension gab. Übrigens sind seine Lehrer sehr mit ihm zufrieden und schicken seinen Eltern nach jedem Trimester gute Noten; Führung: gut, Mitarbeit: gut. Bei der letzten Zeugnisvergabe hat er sogar einen zweiten Preis im Aufsatz und eine Belobigung für seine Schönschrift erhalten.