Mich dagegen schmerzt alles; mich schmerzt die Zeit, in der ich lesen gelernt und den ganzen Tag geweint
habe. Im Gymnasium wurde ich immer bestraft, misshandelt und verprügelt; mir gehen noch die Tage meiner
Ergebenheit ebenso nach wie die meiner Wut; ich vermisse sogar die Tage, die mir als die traurigsten vorkamen, sie
hatten einen besonderen Reiz, den mir die glücklichsten von heute nie zurückbringen werden. Aber vor
allem vermisse ich dich, Henry, es war der Reiz des gemeinsamen Lebens, dieser edle Duft der Jugend und der Hingabe,
der uns beide prägte, schön und stark wie Engel. Oft nehmen meine Füsse noch den Weg zu deinem Haus,
oft warte ich zu der Stunde auf dich, in der du gewöhnlich kamst. Henry, mein armer Henry, schreibe mir
ausführlich und oft; komm her, dein Platz an diesem Kamin, an dem wir nebeneinander gesessen haben, ist
leer; ich bin allein, sehe niemanden, brauche niemanden, ich warte auf dich, ich kann nichts mit mir anfangen.
Und ausserdem, es ist Winter! du weisst, wie sehr das Schmuddelwetter mich deprimiert, und wie ich in
Schwermut verfalle, wenn ich den Regen auf die Dächer fallen sehe.
Neulich, ich glaube es war am vergangenen Samstag, es gab noch ein paar Sonnenstrahlen, war ich ausserhalb der
Stadt bei den Befestigungsanlagen spazierengegangen, auf dieser grasbewachsenen Ebene, von der aus man das ganze
Tal und unser Flüsschen überblickt, das sich zwischen Weiden dahin- schlängelt. Es war zugefroren,
die Sonne schien darauf, es war wie eine grosse silberne Schlange, die dort zwischen den Büschen lag. Wir
waren im Winter ebenfalls dort gewesen, und wie oft war uns dieser Vergleich in den Sinn gekommen! Auf dem
Rückweg nahm ich die Strasse der Orties, die zum Hof des Gymnasiums führt, und habe über die
Mauer hinweg in den Hof geschaut. Ich habe die Kastanienbäume gesehen, unter denen wir gespielt haben,
und die grosse Pappel, die vor den Fensterscheiben des Gebäudes mit ihren Blättern zitterte und die im
Sommer morgens, wenn wir noch nicht richtig wach zur Schule kamen, von zwitschernden Vögeln bedeckt war,
die auf ihrer Spitze balancierten. Ich bin lange dort geblieben; ich habe mich gesehen, wie ich am ersten Tag
als Unbekannter mitten unter euch war und du zu mir kamst und mich als erster angesprochen hast; und dann ist
alles übrige langsam in meiner Erinnerung abgerollt, das Geschrei, wenn wir zur Pause herauskamen, und das
Geräusch, wenn unsere Bälle gegen die Fenstergitter flogen, die warme, feuchte und verbrauchte Luft
in unseren Klassenzimmern usw.
Da war ein Fenster, auf das die untergehende Sonne ihr ganzes Feuer warf, so dass man meinen konnte, es
stünde in goldenen Flammen; ich versuchte lange, mich zu erinnern, welches Fenster es war: es war das
der Arrestzelle, ich habe es schliesslich an dem weissen Stein wiedererkannt und an unseren Namen, die wir mit
unseren Messern eingeritzt haben. Schliesslich habe ich all dem den Rücken gekehrt, wobei ich an uns beide
dachte, an dich dachte und mich fragte, wo du in diesem Augenblick wohl wärst, was du gerade in Paris
machst: "Er ist vielleicht gerade im Theater, sagte ich mir, er ist auf der Strasse, zu Fuss, er kommt nach
Hause, er geht gerade; wo ist er?"