Da sind die beiden Männer, die sich über das Geniessen und über die Liebe unterhielten. Morel
teilte Henry seine persönlichen Ansichten und seine intimen Vorlieben mit; Henry stimmte ihm mit einem
Lachen zu, sagte, dass das auch seine Sicht auf die Dinge und seine Handlungsweise sei; beide lagen also
gefühlsmässig auf einer Linie und priesen die Fleischeslust, ohne sich einzugestehen, dass dem einen
jede Erfahrung fehlte und der andere sich damit schwertat.
Morel, der in einer Mätresse nichts anderes sah als einen gewöhnlichen Gebrauchsgegenstand, fragte
den Schüler, ob er ebenfalls eine hätte.
– Das wird eines Tages passieren, fuhr er fort, irgendwann, wenn Sie am wenigsten daran denken.
Lassen Sie sich von ihr nicht an die Kette legen, wenn Sie sie zu sehr lieben, sind Sie verloren, es gibt nichts,
das die Männer mehr zum Narren macht, es wäre fatal für Sie, sagen Sie mir in dem Fall Bescheid,
damit ich Ihnen aus der Patsche helfe; lieben Sie rechts und links, gehen Sie zu Nutten, lieben Sie verheiratete
Frauen oder Grisetten, das ist alles in Ordung, das ist alles gut, aber vor allem keine Gefühle entwickeln,
und keine Dummheiten, verdammt nochmal! und keine Phrasen! ich kannte ausgezeichnete Jungen, die sich aufgrund
dieser Besessenheit ins Unglück gestürzt haben.
Henry hörte ihm erstaunt zu.
– Man könnte meinen, dass es Sie selbst erwischt hat, sagte er lachend.
– Mich? sagte Morel, bei Gott, nein, ich schwöre Ihnen, aber es macht mich wütend,
täglich Männer von Geist zu erleben, die unter einem Unterrock verschwunden sind, man sieht sie nicht
mehr, sie gehen nicht mehr aus, sie bleiben zu Hause, in ihrem Bett, in ihrem Nest, mit ihrer Geliebten, mit ihrem
Weibchen. Sie kannten sie von früher, frei, gutgelaunt, fröhliche Burschen, und jetzt...! Früher
haben sie gearbeitet, heutzutage schlafen sie oder führen Madame spazieren. Ihr Geld? sie halten es für
ihren Portiershaushalt zusammen; ihre Freunde? sie lassen sie zugunsten ihres Flittchens gehen... Und
überhaupt weiss ich nicht, woher es kommt, aber sie werden geistig beschränkt, werden gemein,
Kretins, Sonntagsarbeiter, die glücklich sind, wenn daraus keine Ehe wird. Ah! Grosser Gott! ich bitte
Sie, machen Sie es nicht so wie die.
Henry verstand all das nicht so recht, die Frauen, die er im Sinn hatte, waren nicht von der Art wie die, auf
die Morel anspielte:
– Seien Sie unbesorgt, antwortete er, ein solches Leben ist nicht nach meinem Geschmack. Ausserdem
könnte ich nur eine reiche Frau lieben... eine Frau von Welt...
– Ah! darauf stehen Sie immer noch? sagte Morel, das ist falsch, das taugt nicht mehr als irgendetwas
sonst... Zu meiner Zeit und in Ihrem Viertel gingen wir zu einer Grisette! Diese arme Grisette! manche waren
gute Mädchen... ich kannte eine...
– Was sagen Sie zu der Rosalinde? fragte Henry daraufhin.
Das war die angesagte Sängerin, die Schönheit von Paris, die Mätresse des Prinzen, eine
grossartige Frau, die die Einkünfte eines Reiches verschlungen hätte; Henry konnte an sie nur mit einem
Grummeln in den Eingeweiden denken.
– Sie schläft mit ihrem Kutscher, sagte Morel. Würden Sie die Frauen vom Theater lieben?
setzte er hinzu.
Henry antwortete, dass er sie alle liebte und dass ihre Stimmen sein Herz Sprünge vollführen
liessen, dass das Geräusch ihrer Schritte auf den Bühnen- brettern in ihm widerhallte und seine
Wahrnehmung durcheinanderbrächte, aber er sprach nicht mehr von der Rosalinde.