Die erste Éducation Sentimentale


    Und er begann sie zu lieben, ihre Hand, ihre Handschuhe, ihre Augen zu lieben, auch wenn sie jemand anderen ansah, ihre Stimme, wenn sie ihn begrüsste, die Kleider, die sie trug, vor allem das, welches sie morgens anhatte, eine Art Kittel, rosafarben mit weiten Ärmeln und ohne Gürtel; er liebte auch den Stuhl, auf den sie sich setzte, alle Möbel ihres Zimmers, das ganze Haus und auch die Strasse, in der es stand.
    Er erwartete sehnsüchtig die Zeit des Essens, bei dem er am Tisch ihr gegenüber sass; abends wünschte er, dass schon der nächste Tag wäre, und so fort. Die Tage vergingen und die Wochen, es war so eine Wonne, in ihrer Nähe zu leben! Tagsüber kam und ging sie, er hörte, wie sie lebte; nachts spürte er sie unter den Dielen, auf denen er ging, wie sie schlief.

    Gewöhnlich ging sie jeden Morgen, auch im Winter, in den Garten und machte einen Spaziergang. Manchmal begleitete Henry sie, er bot ihr den Arm, und sie gingen Seite an Seite, mit den Füssen zertraten sie die Früchte der Eberesche, die auf dem Weg zu Boden gefallen waren; die frische Luft, die die Klappen ihrer Haube flattern liess, bewegte ihre weite Kleidung; manchmal kam der Wind auch von hinten und erfasste ihren Rock, so dass die Umrisse ihrer Taille zu sehen waren. Oder sie bückten sich auch, um ein Veilchen zu pflücken, das im Gras versteckt war; wenn die Sonne schien, setzten sie sich in die Laube und plauderten.
    Anfangs waren es lange Gespräche, überfliessend von Ideen und Gefühlen; nach und nach wurden sie einsilbig, fast schweigend. Zu der Zeit, von der ich spreche, wussten sie kaum noch, was sie sich sagen sollten.
    Henry lieh Mme Émilie Bücher aus, Gedichte, ein paar Romane, sie las sie heimlich abends im Bett und gab sie ihm mit tausend Markierungen, die sie an delikaten Stellen mit dem Fingernagel gemacht hatte, zurück. Sie sprachen darüber, wenn sie allein waren, am nächsten Morgen im Garten, oder am Abend im Salon, wenn alle Karten spielten oder M.Renaud beim Geschichtenerzählen zuhörten.
    Beide wünschten sich den Sommer herbei. "Ah! wenn schönes Wetter wäre, sagten sie sich, würden wir aufs Pferd steigen und lange in den Wäldern und auf dem grünen Teppich der Weideflächen reiten." Gern wären sie aufgebrochen, in die Tiefe der Wälder, und hätten das Wasser auf dem Moos fliessen und nachts die Nachtigall schlagen gehört.
    In ihren Gesprächen über die Dinge dieser Welt sprach Mme Renaud viel über zarte Gefühle und Herzensangelegenheiten; Henry von Schönheit und Tapferkeit. Seit einiger Zeit fühlte er sich tatsächlich mutig und stark, gegen ein Duell hätte er nichts einzuwenden gehabt, insbesondere wenn er eine Verwun- dung davongetragen und Mme Renaud ihn bewundert hätte. Es war, sage ich euch, ein vollständiges Vergessen der Welt um sie herum und eine endlose Ekstase über die Sonne, die Nacht, die Poesie, die Freundschaft.