M.Renaud schlummerte in seinem Sessel, Mendès las das Feuilleton. Währenddessen faltete
Mme Renaud das Blatt in der Mitte und schrieb auf die Rückseite: "Ich gehe morgen zur Rue de Castiglione";
Henry nahm ihr noch einmal die Feder aus der Hand und schrieb: "Sie kommen bei den Tuilerien vorbei". Sie
lächelte auf ihre bezaubernde Art, nahm das Blatt und warf es ins Feuer; Henry sah zu, wie es verbrannte: er
warf sich eine schwarze zerknitterte Gaze über, stiess an der Pantoffelspitze von M.Renaud an, ohne ihn
aufzuwecken, stieg zwei- oder dreimal in den Kamin und kam wieder heraus, unterstützt vom Wind, schliesslich,
als der letzte Funke ausgelöscht war, ging er nach getaner Arbeit.
Das ist wirklich ein Rendez-vous! Er schwor sich, es nicht zu verpassen. Oh! wie ihm die Zeit bis zum nächsten
Tag lang wurde! sie bei sich, in ihrem Haus zu sehen, sie zu sehen wie alle Tage, das war nicht dasselbe, wie er es
sich wünschte, wie er es diesmal erwartete. Er passte also den Augenblick ab, da sie wegging, und fünf
Minuten später stürzte er nach draussen, sprang in die erste vorbeikommende Droschke, gab dem Kutscher
fünf Sous Trinkgeld, worauf er grosse Augen machte, und kam endlich am Gitter der Tuilerien an, mit einem vor
Stolz aufgeblähten Herzen, grösser als bei allen, die jemals hineingegangen sind, mit Trompeten im Kopf
und den Tambur trommelnd.
Das Wetter war düster, dichte Wolken zogen über den Baumspitzen dahin; ihre grüne Rinde glänzte
wie die Mauern bei Tauwetter, die Oberfläche des grossen Wasserbeckens, die von verwelkten Blättern ganz
gelb war, kräuselte sich im Wind, die Schwäne hatten ihre Hütte aufgesucht, die Kindermädchen
riefen nach ihren Kindern, die braven Bürger beschleunigten aus Furcht vor dem Regen ihre Schritte, die
Schildwache hatte den Kapuzenmantel übergeworfen. Henry setzte sich auf eine Bank, um Luft zu holen, er
schwitzte wie in der Passage Véro im August; der Schweiss rann ihm von der Stirn, sein Gaumen brannte,
seine Hände zitterten; sie kam nicht, aber sie würde kommen. Er erhob sich, lief hin und her, in alle
Richtungen, unruhig, das Lorgnon vor das Auge haltend, während er versuchte, sie von weitem zu erkennen, darauf
hoffend, ihren weissen Schal unvermittelt in einer der Alleen auftauchen zu sehen.
Wie sie sich verspätete!
Der Himmel verdüsterte sich, die Luft besänftigte sich, und der grosse Lärm in den entblätterten
Ästen der Bäume hörte auf; Schneefall setzte ein, er ver- dichtete sich, die Nacht brach herein, die
Lichter des Schlosses gingen an; es war bereits vier Uhr, und sie kam nicht! Es befand sich fast niemand in dem
Garten, die von Schnee bedeckten Marmorstatuen verharrten unbeweglich in ihrer Stellung, und das auf ihre Formen
fallende Licht spielte auf ihrem fahlen Weiss, sie schienen zu leben. In der Hoffnung, dass die Zeit dadurch
schneller vergehen würde, betrachtete er zwei oder drei von ihnen so lange und mit einer so grossen
Aufmerksamkeit wie möglich; doch sie kam nicht! "Sie hat es mir doch versprochen, sagte er sich; täuscht
sie mich schon? Oh! mein Gott, mein Gott!" Und er biss sich auf die Lippen, stampfte mit dem Fuss auf den Boden und
war kurz davor, zu weinen wie ein enttäuschtes Kind. Er hörte nicht den Lärm der Fahrzeuge, die die
Rue de Rivoli entlang fuhren, er betrachtete weder den Garten, noch das Schloss, dessen Fassade jetzt vollständig
beleuchtet war, er dachte weder an den König, der dort residiert, noch an die Minister, die sich dort einfinden,
noch an all die Monarchen, die dort geschlafen haben, noch an all das Gold, das hier geschlummert hat; er dachte
an niemanden ausser an sich, an sie, an sie beide, an nichts anderes in der Welt.