Sie kam. Manchmal am Morgen, noch mit Nachthaube, in ihrem wallenden Kleid und ohne Korsage, mit dem frischen
Geruch feiner Wäsche, mit offenem Gesicht, das sie mit kaltem Wasser gewaschen hatte, die Hände
rosig und die Füsse in kleinen Pantoffeln aus braunem Leder und mit Fellbesatz. Diese Frau war wahrlich eine
seltsame Mischung, ihre Haut verströmte selbst ein süsses Parfum, einen Duft von Schönheit, die
einem zu Kopfe steigt wie das Bukett erlesener Weine; ihr Fuss verhiess hundert Zärtlichkeiten, was ihr
Schuhwerk verriet, und unter ihrer Kleidung vermutete man zahllose Verführungen: eine schmale Taille, bereit
zu plötzlichen Aufsprüngen und überwältigenden Spannun- gen, ein breites Becken, vorspringende
runde Hüften, ein weicher, biegsamer Leib, und die ganze Kraft der Gesundheit, alle Vorzüge des Begehrens
und alle Wollüste der reifen Frau.
Manchmal drückte Henry sie heftig an sich und überzog sie mit diesen flam-menden Blicken, bei denen
das ganze Herz glüht, bettelnder als ein Verurteilter und sanfter als eine Taube. Er bewunderte vor allem ihre
Haare; sie liess ihn seine Hand über sie streichen, er streichelte dieses tiefe Schwarz und glättete es
mit seinen Lippen. Sie sagte zu ihm:
– Kind – sie sagte immer "Kind" zu ihm – dein Überschwang geht mit dir durch. Warum willst
du von mir mehr als das Herz? Ich kann dir darüber hinaus nichts geben. Lieben wir uns mit einer keuschen und
reinen Liebe, was brauchen wir diese Bande des Fleisches, die für gewöhnliche Naturen von Bedeutung sind?
Ist es nicht das, was du mir versprochen hast?
Und daraufhin ging sie, nachdem sie lange auf eine Antwort gewartet hatte, die nicht gekommen war, und, wer
weiss, vielleicht sogar als Entgegnung eine auftrumpfende Widerlegung.
Danach sagte sich Henry: "Warum sollte ich dieses reine Wasser trüben? diese Blume welken lassen? warum sie, um
einen augenblicklichen Hunger zu befriedigen, in Scham und Vorwürfe tauchen? Das hiesse sie selbst von dem
Sockel herunternehmen, auf den meine Liebe sie gestellt hat; sie liebt mich mit der Liebe der Engel, ist der Himmel
nicht weit genug? ist diese Liebe nicht süss genug?"
Und am Ende begann er in einer sehr gewöhnlichen Reaktion schreckliche Verwünschungen
auszustossen und mit dem Fuss auf den Boden zu stampfen, als wolle er durch die Dielen brechen: Mit diesem Ausbruch
machte sich der Wille Luft, dass das reine Wasser dazu da ist, um benutzt zu werden, und die Blumen dazu, um ihren
Duft zu riechen; und dass die Liebe der Engel nicht die des Menschen ist, und dass er ein Mensch und ein Mann war,
mit der Konsequenz, dass usw.
Danach ging er Morel besuchen und erzählte ihm von seinem grossen Glück, von der anbetungswürdigen
Geliebten, die er hatte und vom Glück seiner Nächte; und dann lachten sie gemeinsam auf Kosten von
Mendès und Alvarès, den beiden Verliebten, die nichts besseres zu tun hatten als Verse
abzuschreiben und auf der Flöte zu spielen.