Als wir den Saal betraten, war alles leer; in den Logen waren die Sitze entfernt, die Eingänge geöffnet
und die Gitter zur Hälfte herabgelassen. Kaum hatte man uns gesehen, fiel ein gleissend heller Lichtstrahl
von oben auf das Parterre, glitt über die Kulissen und zog auf den Bühnenbrettern lange Linien aus Licht;
ein starker Sonnenstrahl, der durch ein Loch in der Wand einfiel, durch- querte diagonal das ganze Theater, ein
goldener beweglicher Staub stieg flimmernd in dieser geraden Linie auf, eine Öllampe an der Rampe, die von
dem Strahl getroffen wurde, leuchtete hell auf, wie wenn sie angezündet worden wäre. Wir gingen durch
die Korridore, zwei oder drei Namen wurden gerufen, ich hörte eine Glocke ertönen, die Schauspieler
erschienen, und die Probe des Singspiels begann.
Ich hatte mich in den Kulissen auf eine der Kisten gesetzt, die dort standen, ich berührte die Decors mit
meinen Händen, betrachtete die Schauspieler und Schauspielerinnen von Nahem, betrachtete den leeren Saal und
stellte ihn mir voll besetzt und gross vor, tausendmal grösser, bei voller Beleuchtung, angefüllt mit
Lärm und strahlend von Licht und Farben. Ich sog den Duft des Theaters, das eine meiner Liebesbeziehungen
meiner Kindheit ist, mit voller Brust in mich ein; dabei achtete ich, den Kopf zum Himmel gewandt, kaum auf das
Stück, vielmehr war ich in eine ich weiss nicht was für eine ausgefallene Träumerei, eine Mischung
aus Kunst und Liebe, eingetaucht, eine betörende Phantasie mit wollüstigen Gefühlsergüssen,
begleitet von Fanfarenklängen, während ich sah, wie der flauschige Mantel des Harlekin sich im frischen
Wind bauschte, der durch die offenen Fenster von draussen kam und die Blätter der Kastanienbäume, die die
Place d'Armes säumen, in Schwingungen versetzte.
Bernardi hatte mich gefunden und fragte mich, wie ich seine Welt fand. Anscheinend fiel meine Antwort nicht allzu
dumm und zu seiner Zufriedenheit aus, denn indem er mich bei der Hand nahm, führte er mich zu zwei Frauen, die
oben auf der Bühne auf einer grob gezimmerten Bank sassen:
– Hier, sagte er zu mir, zeige ich Ihnen die beiden Perlen meiner Krone, Mutter und Tochter, Mme
Pernelle und Elvire, Philaminte und Doña Sol, Mme Artémise und Mlle Lucinde. Hier, meine Damen, fügte
er in einem ernsteren Ton hinzu, erlauben Sie mir, Ihnen diesen Herrn vorzustellen, einer meiner Freunde in dieser
Stadt, ein aussergewöhnlicher Amateur, der die schönen Talente und auch die schönen Frauen sehr
bewundert, zwei Gründe, um Ihre Bekanntschaft zu machen.
Die Ältere lächelte, und das junge Mädchen machte mir, ohne sich zu erheben, ein Zeichen mit dem
Kopf. Beide hatten Schals übergeworfen, in die sie wie in Mäntel eingehüllt waren, und wegen der
Dunkelheit, die dort hinten im Theater herrschte, konnte ich fast nichts von ihren Gesichtern erkennen, abgesehen
von den Augen der Alten, die im Dunkeln unter ihrem Hut glänzten, während sie sich mit Bernardi
unterhielt, sowie dem undeutlichen Profil der anderen, die alles, was um sie herum passierte, nicht zu berühren
schien.