Die erste Éducation Sentimentale


    Ich war vor der Bühne, auf der ersten Bank, an die Rampe gelehnt; ich spürte in meinem Haar den Luftzug, den ihre Kleidung erzeugte, wenn sie ging; ich hob den Kopf und betrachtete sie von oben bis unten. Als der Vorhang gefallen war, traf ich mich mit Bernardi im Theater, und sie, ja sie habe ich auch gesehen, ich entdeckte sie in ihrer Loge, wie sie noch ganz aufgelöst war von ihrer Rolle, erregt und bei den Bravos, die noch andauerten, lächelnd, wobei sie ein Haarband wieder anbrachte, da ihr Haar in der letzten Szene herabgelassen worden war. Es gab gute Einnahmen, es war ein Sonntag, Bernardi war äusserst fröhlich, wir gingen alle zusammen essen, – und ich, ich ging durch unsere Strassen zurück und kam traurig und mit einer schrecklichen inneren Leere zu Hause an.
    Ich wäre gern mit ihnen mitgegangen, um mit ihnen zusammenzuleben, wäre gern selbst Schauspieler gewesen, würde zusammen mit Lucinde spielen, wäre Antony, der sie duzt und in den Armen hält. Oh! wie ich mein geregeltes Leben und meine Familie verfluche! Warum hat der Himmel mich nicht allein und arm geboren werden lassen, dafür aber wenigstens frei, so wie ein Bohemien und wie ein Hirt? ich fühlte mich stark und mir scheint sogar, dass das Unglück mich grösser werden liess. Ich kam immer wieder auf die Begegnung an jenem Morgen, auf die Probe, der ich beigewohnt hatte, auf die Aufführung am Abend zurück; auf Bernardi, auf Lucinde, auf alles übrige, auf die Schauspieler, die Komparsen, auf zwei oder drei unbedeutende Personen wie die Diener oder die Gendarmen, die ich am Theatereingang gesehen hatte und die mich mit derselben Hartnäckigkeit verfolgten wie die anderen. Ich schlief die ganze Nacht nicht, wälzte mich bis zum Anbruch des Morgens in meinem Bett herum, war erregt, unruhig, dachte an all das und an noch tausend andere Dinge; manchmal voller Hoffnung, verliebt, vom Ruhm träumend, dann wieder trostlos, verzweifelt, bereit zu sterben; oder mit einem plötzlichen Drang, irgendein grosses Werk zu schaffen, mit dem ich jede Höhe messe und alle Tiefen ergründe. Die Dächer gegenüber, die noch nass waren von einem leichten Regen, der am Abend gefallen war, schimmerten mit einem schwachen Glanz im Schein des Mondes, der durch mein Fenster drang, dessen Vorhänge offen geblieben waren; er spielte am Fussende meines Bettes, in den Falten meiner Decke, und ich dachte an diesen seltsamen Schein bei Vergil, der auf dem blutenden Geist Hektors erschien und vor den erschütterten Augen des Aeneas sein bleiches Abbild erhellte.

    Als ich am nächsten Morgen in mein Büro ging, traf ich Bernardi, der ins Café Français frühstücken ging, ich begleitete ihn, und ich war es, der zahlte. Er erriet, dass ich schrieb, ich entwarf ihm den Plan für mein Drama und rezitierte ihm sogar eine Szene aus dem Gedächtnis; er war darüber begeistert.
   – Möchten Sie, dass wir es hier aufführen? sagte er zu mir, Lucinde wird die Doña Isabella spielen. Wir werden sehen, entscheiden Sie sich, nur Mut! lesen Sie es uns heute abend nach der Aufführung vor.
   Ich antwortete nichts.
   – Nun, was haben Sie? Ist es recht? setzte er hinzu.
    Ich schüttelte ihm, ohne ein Wort zu sagen, die Hand und sah ihn starr an, um zu sehen, ob er nicht lachte, ebenso überrascht wie ein Armer, dem soeben jemand gesagt hat: "Möchtest du reich sein?" Ich konnte ein Lächeln nicht verbergen, so sehr war meine Seele erfüllt von Freude. Es war schon ein Uhr, was scherte es mich! ich begleitete ihn zurück zum Theater.