Die erste Éducation Sentimentale


    Am Abend, um sieben Uhr, nach dem Essen, dessen Ende ich abwarten musste, steckte ich mein Manuskript in die Tasche und ging zum Theater. Dort befanden sich, um meine Lesung anzuhören, Bernardi, Lucinde, der junge Anténor, Mme Artémise, ein Alter, der den Prior geben wird, und schliesslich noch ein weiterer, der erst zum vierten Akt kam. Als sich alle um den Tisch herum gesetzt hatten, an dem ich die Lesung halten sollte, nahm ich mein Manuskript heraus, schlug es auf und las langsam den Titel, mehr ausser Atem, als wenn ich gelaufen wäre.
  – Wir werden sehen, liebe Kinder, sagte Bernardi, sich die Hände reibend; wie der Herr mir sagte, fügte er an Lucinde gewandt zu, gibt es für Sie, schönes Fräulein, eine erlesene Rolle ... Wenn wir mit einem urwüchsigen Stück Erfolg haben, das wäre eine tolle Sache. Also aufgepasst!
    Und ich begann. Ich wurde von zwei Kerzen beleuchtet, zu denen ich mich so nahe es ging setzte, da ich kaum etwas sehen konnte, vor allem am Anfang; das übrige des Raums (es handelte sich um das Arbeitszimmer des Direktors) lag im Dunkeln, alle hörten zu, Bernardi sass rechts ein bisschen hinter mir, Lucinde links vor mir. Wenn ich den Kopf hob, um den Anfang einer neuen Seite vorzulesen, sah ich sie, wie sie mit starrem Blick lauschte; manchmal lächelte sie ein wenig mit den Mundwinkeln, dann wiederum blickte sie mich an, während ich las, und ich spürte ihre Augen auf mir ruhen.

    Während des ersten Aktes war ich ausser Atem, niemand sagte etwas. Nur Anténor applaudierte am Ende ein wenig. Ich begann den zweiten feurig, mit erhobenem Kopf, stachelte mich zu einem Wagemut an, wollte allen Eindrücken der Handlung nachhelfen, indem ich die Rollen sorgfältig nuancierte und mir vorstellte, sie zu hören, wie sie klangen, und bald hatte ich mich selbst in der Illusion meines Stückes verloren. Nun, alles ging gut, die Wortwechsel lösten sich ab, die Zeit verging wie im Galopp, die Handlung nahm ihren Lauf, es wurde applaudiert, ich trug mit ganzer Seele vor, ich war laut, ich schwitzte, mein Stück ergriff Besitz von mir, ich liess mich wie im Delirium von ihm davontragen, ich stampfte mit dem Fuss auf, ich gestikulierte nach Herzenslust und hätte selbst Theater spielen können; ich zitterte nicht mehr, hörte nichts, sah nichts ausser von Zeit zu Zeit das Gesicht Lucindes, das ich bei jeder Seite, die ich umblätterte, einen kurzen Moment lang wie bei einem Blitz wahrnahm, wodurch sich meine Kraft verdoppelte.
    " Du weisst, dass der fünfte Akt noch nicht fertig ist, ich verspreche aber, dass ich ihn morgen vorlese, ich werde mich noch heute abend an die Arbeit machen.

    Das Stück gefiel ihnen und wurde angenommen; sie selbst, Henry, sie selbst, mit ihren zwei Händen klatschte sie Beifall. Begreifst du das? ich werde gespielt, ich, gespielt von Schauspielern, hier, im Theater! Gleich werde ich ihnen meinen fünften Akt vorlesen. Wenn ich zurück bin, sorge ich für Klarheit und räume alles aus den Weg, ich bin neugierig, was man mir entgegnen wird, es wird ein Spass werden, etwas zum Lachen. Überhaupt sind die bürgerlichen Spiesser so dumm und die Eltern so einfältig!