Am Vorabend, als sie wie Henry, der als letzter hochstieg, die Treppe hinaufging, und er von hinten ihre Hand
ergreifen wollte, um sie zu küssen, hatte sie ihn nicht brüsk zurückgestossen, tatsächlich
zurückgestossen? Bereits einige Zeit zuvor hatte sie ihm in einer langen Unterredung, die sie gemeinsam
hatten, gesagt, dass zwischen ihnen alles aus sei, dass er nicht mehr daran denken solle und er sie verstehen
müsse, dass das, was gewesen ist, auf alle Fälle nie mehr war als ein Spiel, eine Kinderei, zu der man
sich nicht hätte hinreissen lassen dürfen. Sie kenne ihre Pflichten und wolle sich daran halten –
so sagte sie wenigstens. Eine Liebesintrige ist wie die Fahrt auf einem Fluss, man schifft sich bei schönem
Wetter ein, das Segel ist gesetzt, die Strömumg treibt euch schnell voran, ihr rudert kräftig, so dass
ihr ins Schwitzen kommt und schnell euren Rivalen voraus seid; doch plötzlich setzt eine Flaute ein, das Segel
kommt herunter, ihr bekommt Blasen an den Händen, dazu stellt sich der Missmut ein und mit ihm Überdruss
und Müdigkeit; ohne die Hartnäckigkeit, die Entschlos- senheit und die Eitelkeit bliebe man liegen oder
stiege aus, um sich in einem Wirtshaus zu erfrischen und ein Schläfchen zu machen! Glücklich sind die,
welche am Abend bei der Rückkehr im Heck der Schaluppe liegend aus voller Brust singen und die Nacht herrlich
finden!
So wünschte sich Henry, der sich in einem Moment der Flaute befand und überlegte, aus welcher Richtung
der Wind wohl wehen würde, dabei unent- schlossen und ein wenig missmutig war, nichts mehr, als an all den
Vergnüg- ungen teilzunehmen, von denen in dem Brief seines Freundes die Rede war. Da er jung und noch leicht
von Gefühlen zu beeindrucken war, muss ich gestehen, dass er sie verstand und sich seiner Begeisterung
anschloss.
Nichts desto trotz, als er die Schilderung des Porträts Lucindes wiederlas, verglich er sie mit Mme Renaud
und fand diese schöner... denn er zog die dunkelbraunen vor, da er mit dieser Vorliebe geboren worden war.
Dreizehntes Kapitel
Einige Zeit später gab Mme Renaud einen Ball, eine Fete oder einen Tanzabend, wie auch immer ihr
es nennen wollt. Die Eingeladenen waren zunächst alle Gäste des Hauses, das verstand sich von selbst,
weiter, zur grossen Zufriedenheit von Mendès, M. und Mme Dubois, sowie zur grossen Freude von Alvarès
Mlle Aglaé, ausserdem M. und Mme Lenoir, ihre Kinder, ihre Verwandten, ihre Cousins; der junge Ternande, der
Freund Morel, sowie noch weitere Bürger und Bürgerinnen, die mehr oder weniger zur Verschönerung des
Abends und zum Konsumieren der Erfrischungen beitrugen.
Der Friseur – Coiffeur [oder, wie Flaubert in den drei folgenden Zeilen darlegt: coëffeur]
– war gegen fünf Uhr gekommen, um Mme Renaud zu frisieren; danach war er zu Alvarès und Mendès
hochgegangen, bei deren Verschönerung sein Eisen und die Pomade zwei grosse Halbestunden lang miteinander
um die Wette stritten; von da war er zu Henry gekommen, der nichts weiter wollte als eine Glättung, eine
Straffung; der Vater Renaud hatte die Gelegenheit genutzt und sich die Haare schneiden lassen; Shahutsnischbach
wiederum, der ein Bedürfnis verspürte, seinen Kopf zu schmücken, hatte sich einen Pilz frisieren
lassen wie ein Trouvere oder ein Kellner im Café.