Mme Renaud tanzte nicht, sie war ein wenig müde und wartete im Übrigen den Walzer ab. Wenn sie nicht
hinausgegangen war, um irgendwelche Anwei- sungen zu geben, blieb sie inmitten des kleinen intimen Kreises, zu dem
jeder nach und nach kam, um ihr seine Verehrung auszusprechen oder ein Schwätzchen zu halten, in ihrem Sessel
sitzen. Es war in der Ecke des Salons, nicht weit von den Spieltischen entfernt, die im Arbeitszimmer von M.Renaud
aufgestellt worden waren, das man wegen der Fete völlig auf den Kopf gestellt hatte, denn die Büsten waren
entfernt und die Wandbilder in Schränken eingeschlossen worden.
Henry betrachtete sie, in ihrem gelben Kleid, das golden schimmerte. Sie sass ruhig da wie eine Göttin;
ihr im Kerzenlicht etwas bleiches Gesicht hatte an diesem Tag etwas Aussergewöhnliches, etwas ungewohnt
Majestäthaftes; ihre Augen glänzten, ihr glattes seitliches Haar schimmerte, ihre Zähne blitzten
zwischen ihren Lippen, das Licht der Lampen fiel auf das Weiss ihrer nackten Arme und ergoss sich wie eine
leichte Welle über den Flaum auf ihrer Haut.
Henry trat näher an sie heran und sog den Duft, der ihrem ganzen Körper entströmte, in sich ein;
er beugte sich vor, um ihr etwas zu sagen, wobei er sich über ihre Schulter beugte, und richtete sich wieder
auf, mit glühenden Wangen und erhitzt wie von einem Schmelzofen.
Der Punch war ausgezeichnet, der Vater Renaud hatte ihn zubereitet. Er stattete auf das Vorzüglichste die
häuslichen Honneurs ab, ging von einem zum anderen, lachend, strahlend, er sprach dem Schönen Geschlecht
Komplimente aus, schüttelte den Männern die Hand, stopfte die Kinder mit Kuchen voll, schenkte
verschwenderisch Wein aus und tanzte auf eine groteske Art; in der Pause eines Kontretanzes setzte er sich an
das Klavier und hämmerte mit den Ellbogen auf die Tasten; dafür gab es viel Gelächter, und er war
zufrieden.
Man kam in Stimmung, sogar die gesetzteren Herren, zu denen man auch Ternande zählen musste, der sich,
mit seiner Hand in der Weste und den bis über den Besatz seines Anzugs hochgeschobenen Manschetten seines
Hemdes, zum Leidwesen von Mme Lenoir einige byroneske Angewohnheiten bewahrt hatte; das Klapphorn ertönte noch
schöner, die Geige kratzte besser als je, die Hände wurden gegeneinander gepresst, die Blicke leuchteten,
Morel erfand einen freien Schritt, der Nachahmer fand, und, als es drei Uhr am Morgen wurde, waren die gewellten
Haare in Unordnung gebracht, die am Kopf anliegenden Haare weniger glatt, die Unterröcke ein wenig
zerdrückt und alle Handschuhe schmutzig.
Ah! Wie gut lässt es sich zu dieser Stunde Walzer tanzen, wenn die älteren Frauen gegangen sind,
wenn man sich auf dem glatten Parkett dreht, dabei in seinen Armen die übermüdete Tanzpartnerin mitzieht,
ihre Spitzen zerknittert, ihr Haar riecht und sich in den Spiegeln dreht, unter den Flammen der Leuchter, bis
euch ein süsser Schwindel erfasst, wenn ihr diese Augen ununterbrochen unter den euren funkeln seht, wenn
ihr spürt, wie diese gleichmässige Bewegung euer Herz im Takt schlagen lässt, in dieser von
weiblichen Ausdünstungen und welken Blumen aufgeheizten Atmosphäre! Es passiert häufig hier, dass
die Liebe beginnt und der Herzschmerz sich einstellt.