Morel selbst, noch in Unterhosen, mit grossen bebänderten Schuhen an den nackten Füssen und in einem
alten Samtumhang, der ihm als Morgenmantel diente, war augenscheinlich erschöpft und müde und gähnte
fürchterlich; die Orgie der letzten Nacht hatte in seinem Gesicht jene grünliche Blässe hinterlassen,
die erst am Morgen danach wie ein Vorwurf des Fleisches selbst in Erscheinung tritt und die Lebenden den Toten
ähnlich sehen lässt, mit mattem Gesicht, schwitzender Haut und die Augen vom Tageslicht geblendet. Das
ist das Erwachen nach einem Rausch mit all seinem Elend, den Hitzewallungen und dem nachlassenden Delirium.
Er setzte sich Henry gegenüber rittlings auf einen Stuhl.
– Gibt es etwas Neues? fragte er ihn.
– Schon seit einer Stunde rede ich davon.
– Wovon?
– Von ihr.
– Von wem?
– Na von ihr, Mme Renaud!
– Ah! tatsächlich? Sie geben etwas auf ehrbare Frauen! Nun gut, was soll man dazu sagen? Wissen Sie,
dass ihr kleiner Ball ganz nett war? Die Weine waren gut, man wurde von den Dienern gut bedient.
– Und sie, sagte Henry, war sie nicht ausgesprochen schön?
– So ein Geck! sagte Morel, ist er glücklich!
Henry lächelte und wollte mit der Vertraulichkeit nicht zu weit gehen, doch er fuhr ganz einfach
fort:
– Nicht so sehr, wie Sie vielleicht glauben.
– Weshalb? sind wir etwa noch nicht der Liebhaber dieses himmlischen Wesens?... Wie ich mir das Knie
gestossen habe! fügte er hinzu und rieb sich die Kniescheibe. Was für ein Idiot ich doch bin, dass ich
unbedingt tanzen wollte!
– Haben Sie bemerkt, sagte Henry, als sie in der Ecke unter dem Bronzeleuchter sass, wie sehr sie sich
von den anderen Frauen abhob? Es war so, als hätte eine Aureole ihr Gesicht umgeben, finden Sie nicht?
– Sachte, sachte, wir fangen schon wieder Feuer!... Aber was sagten Sie eben?
– Ich? ich habe nichts gesagt.
– Aber ja doch, als Sie gesagt haben: nicht so glücklich, wie Sie vielleicht glauben.
– Ja, ja antwortete Henry, den es wegen der Schönheit der geliebten Frau zu dem Hass getrieben
hatte, den diese Liebe hervorbringt. Kennen Sie Ternande?
– Diesen jungen Mann mit der phantastischen Haarpracht und dem grünen Gewand? ja, und?
– Kennen Sie den Namen des anderen, der mit seinem Lorgnon herumfuchtelte?
– Nein, spielt keine Rolle! Weiter.
– Als wir uns um vier getrennt haben, versprach Mlle Aglaé der Mme Renaud, ihr am Nachmittag
einen Besuch abzustatten.
– Gut! und dann.
– Sie kam mit ihrem Bruder, M.Dubois.
– Na gut.
– Es war schönes Wetter, wissen Sie?
– Nein, weiss ich nicht, ich habe geschlafen; erzählen Sie aber weiter.
– Haben sie nicht die Idee gehabt, einen Ausflug in den Bois de Boulogne zu machen?
– Ja, und?