Die erste Éducation Sentimentale


          Fünfzehntes Kapitel

    Jules war ebenfalls nicht glücklich; Bernardi war immer noch krank, das Theater war seit vierzehn Tagen geschlossen und die Truppe zerfiel nach und nach; der erste Liebhaber war sogar in ein benachbartes Departement ge- gangen, um dort aufzutreten, und hatte einen Teil der Kulissen und der Kostüme mitgenommen; all das verzögerte die Aufführung des Ritters von Calatrava, dessen fünften Akt Jules noch nicht hatte vorlesen können, diesen fünften Akt, der ihm so viel Ruhm einbringen sollte. Man hätte meinen können, dass Bernardi sich geschworen hatte, ihn sich nicht anzuhören; an einem Tag hatte er Kopfschmerzen, an einem anderen war er zu beschäftigt, an einem weiteren entschuldigte er sich. Vergeblich stattete er ihm jeden Morgen, bevor er ins Büro ging, einen kurzen Besuch ab, um, wie er sagte, zu hören, wie es um seine Gesundheit steht, in Wirklichkeit aber, um das Gespräch beiläufig auf die verschobene Lesung zu bringen; eine tägliche Enttäuschung! der Direktor schien taub zu sein und antwortete, indem er von etwas anderem sprach. Wenn er nur gewollt hätte, wie schnell hätte sie stattfinden können! Jules hatte das Manuskript immer bei sich in der Tasche und hätte es augenblicklich herausziehen können, doch seine Scham hinderte ihn daran, es anzusprechen, einem Verlangen zum Trotz, das er verspürte, dem nämlich, verstanden zu werden.

    Allerdings spürte er sehr wohl, dass er sich erniedrigte, wenn er diesen Mann hofierte, diesen so stolzen und edlen Mann, und er errötete innerlich darüber vor Scham; dennoch trugen ihn seine Füsse jeden Morgen fast wie von selbst zum Lion d'Or; in der Illusion seiner Eitelkeit glaubte er fast, Bernardi zu lieben und dass eine echte Sympathie ihn zu ihm hinzog: Wurden nicht alle grossen Männer am Anfang durch tausend Hindernisse gebremst, verleugnet, beschimpft, mit Beleidigungen überschüttet? war ein Teil ihres Genies nicht gleichzeitig ihr Unglück? Dies sagte er sich, um sich zu trösten, und vielleicht tröstete es ihn wirklich.
    In der Stadt wusste man, dass er mit den Schauspielern verkehrte und den Wunsch hatte, dass sie irgendetwas spielten, das war ein Ereignis, und es wurde darüber viel geredet; die Menschen, die ihn täglich sahen, waren erstaunt und blieben abwartend, man missbilligte ihn allgemein, und seine alten Kameraden versicherten, dass er ausgepfiffen werden würde. Immerhin begrüssten die jungen Leute sein Vorhaben und wären gern an seiner Stelle gewesen, um gratis in die Vorstellung kommen und die Kulissen besichtigen zu können. Seine Mutter sorgte sich um ihn wegen der Gefahr, dass er in schlechte Gesellschaft geriet, und sein Vater ermahnte ihn, sich vor Liebschaften in acht zu nehmen und auf seine Geldbörse aufzupassen. Am Sonntag, bei den grossen Familienessen, bei diesen bürgerlichen Essen, die jedermann kraft seiner Geburt über sich ergehen lassen muss wie den Militärdienst und die Steuern, mokierten sich die Männer von fünfzig bis sechzig, die etablierten, verheirateten Männer, Eigentümer und mit der Regierung zufrieden, sie alle mokierten sich über seine literarischen Ambitionen und gaben ihm am Ende vereint Ratschläge: "Wohin soll das führen? Machen Sie es wie alle, glauben Sie mir. – Was für einen Einfall hatten Sie da! – Sie werden weit damit kommen! – Das ist irrsinnig! – Das wird vorbeigehen, ich versichere Ihnen." Dann kamen die Anekdoten, die Beispiele, die Beweise, und es war beschlossene Sache, dass er auf dem Holzweg war.
    Doch der Vergleich, den sie zwischen ihrer Dummheit und ihm selbst zogen, bestärkte ihn umso mehr in seinem Gefühl der Stärke. Auf seinem Stolz wie auf einem Thron sitzend lebte er umso ruhiger.