Er musste also einhundert Francs auftreiben, ganz gleich wo, ganz gleich von wem, ganz gleich wie; er musste sie
finden! Wenn der Wunsch die Wände dazu brächte, sie auszuschwitzen oder dazu, sie dem Innern der Erde
zu entreissen, dann wären Louis aus der Täfelung gerieselt, hätte die Erde sich einen Spalt
geöffnet und hätte ihm eine Ladung Gold geschickt. Es sind solche dringenden Bedürfnisse, die
einen vor Wut auf den Boden stampfen lassen und dazu bringen, sich den Teufel herbeizuwünschen und an ihn zu
glauben, um ihn zur Hilfe rufen zu können.
Seinen Vater um Hilfe bitten? er wird spötteln, Witze machen, wird sich vielleicht weigern; seine Mutter?
das wäre noch schlimmer; seinen Kollegen im Büro? Aber der hatte ihm schon fünfzig Francs geliehen,
damit er Bernardi aufsuchen konnte und um im Café einen guten Eindruck zu machen; er wusste noch nicht,
wie er sie ihm zurückzahlen konnte. Wen also noch? Niemanden. Verkaufen? aber was? Spielen? spielt man in der
Provinz? Und dann brauchte er das Geld sofort, auf der Stelle, es hätte schon passiert sein müssen.
"Hätte ich dem nicht zuvorkommen müssen, sagte er sich, ich hätte bei ihnen sein müssen, sie
erwarten mich, ich mache für sie den Eindruck eines Menschen, der überlegt, der zögert, der
ängstlch ist, oder einer der arm ist und sich versteckt... Oh! ich, der sie so sehr liebt! warum benötigt
sie nicht mein Blut? ich würde es ihr mehr als reichlich überlassen... Wenn ich doch reich wäre!
das Geld, das Geld! ich, der ich sie im Luxus leben lassen wöllte, damit sie stolz auf mich sein könnte!...
Und keine hundert Francs zu haben, hundert Francs, fünf Einhundert-Sous-Stücke!... Ich werde sie nicht
wiedersehen!... Wie sie mich verachten und für nichtsnutzig halten wird! wie klein ich mich fühle, wie
winzig und niedrig!"
– Ich bekomme sie, ich bekomme sie, rief er plötzlich aus, denn ein Einfall war ihm blitzartig
durch den Kopf gegangen, er hatte an Henry gedacht, Henry, der am Abend nach Paris abreisen sollte, er
könnte seine Eltern um Geld bitten und ihm etwas geben. Er eilte zu ihm.
Zwischen jungen Leuten herrscht Verständnis bei solchen Unannehmlich- keiten; Henry hatte schon
das Geld für das Trimester bekommen, er öffnete seine Börse und Jules tauchte seine Hände
hinein.
Es war noch nicht zehn Uhr am Morgen, aber man empfing ihn sofort. Mme Artémise zog sich vor einem Spiegel
an, und Mlle Lucinde, die noch im Bett lag und im Nachthemd war, vergnügte sich mit einem schwarzen Spaniel,
den Jules ihr geschenkt hatte. Sie hatte neben sich eine Schachtel Biskuits und eine Schale mit Konfitüren;
sie bestrich die Biskuits einen nach dem anderen mit Konfitüre und gab sie dem Hund zu fressen, der sich mit
der Zunge über die Lefzen fuhr und mit dem Schwanz auf die Bettdecken schlug. Als sein früherer Meister
ins Zimmer trat, sprang er zur Begrüssung hoch, aber Lucinde rief ihn sofort zu sich, und er sprang auf das
Bett und legte sich auf den Knieen seiner jungen Herrin nieder. Es war ein schwarzer Spaniel mit einem weissen
Fleck auf dem Rücken. Jules hatte ihn drei Jahre gehabt, Mlle Lucinde hatte ihn eines Abends gesehen und ihn
süss gefunden, und Jules hatte ihn ihr geschenkt