Die erste Éducation Sentimentale


    Alvarès magerte dagegen von Tag zu Tag ab, sein Blick wurde matt, seine Gestalt gebeugt, eine stumpfsinnige Niedergeschlagenheit nahm von seiner ganzen Person Besitz und schränkte die wenigen Fähigkeiten, mit denen die Natur ihn ausgestattet hatte, noch mehr ein. Die Liebe, die er für Mlle Aglaé empfand, weniger brennend und heftig zwar als die von Mendès, dafür inniger und tiefer, war bei ihm in einen erbitterten Wahn umgeschlagen, an dem der arme Teufel zugrunde ging. Das bleiche Gesicht dieser dürren Frau mit den langen Haaren begleitete ihn überall hin und verfolgte ihn wie ein Phantom, und jeden Tag erstand diese Erinnerung von neuem und noch lebhafter als am Tag zuvor und entfachte sein kaum abgekühltes Verlangen und peitschte ihn mit aller Gewalt; er hätte eine Ewigkeit damit verbringen können, wie ein Pferd in der Manege um diese fixe und starre Idee zu kreisen, er sprach nicht mehr davon, doch in der Stille seines Herzens verzehrte er sich in der Abgeschiedenheit.
    Man verabreichte ihm zunächst Eselinnenmilch und empfahl ihm Landluft und Leibesübungen; alle Donnerstage und Sonntage gingen Mendès und der Vater Renaud mit ihm ausserhalb von Paris in der freien Landschaft spazieren, oder an den Tagen, an denen er sich besonders schwach fühlte, auch nur auf den Alleen vor der Stadt; sobald der Garten in der Sonne lag, kam er aus seinem Zimmer herunter und setzte sich neben dem Spalier in einen Sessel, den man extra für ihn herausgebracht hatte; er erfreute sich daran, die roten Fische im Wasser- becken schwimmen zu sehen, oder aber er ging mit einem angespitzten Stock auf Schneckenjagd.

    Der August kam, es war die Zeit der Wettbewerbe und der Prüfungen, M.Renaud war mit Pflichten überlastet. Henry, der seine erste Prüfung an der Schule für Jura auf den Winter verschoben hatte, tat nichts mehr und wartete geduldig darauf, in die Provinz zurückzukehren und sich dort zu langweilen; Mme Renaud war so schön, so liebenswürdig, so lustig! das Leben beim Vater Renaud war so angenehm, wenn man keine Ratschläge von ihm zu hören bekam und mit seiner Frau schlief!
    Er ging häufig mit Morel essen, den er jedesmal über die kleinen Vorkomm- nisse und die grossen Glücksmomente, aus denen sein Leben sich zusammen- setzte, auf dem laufenden hielt. Nach dem Essen gingen sie ins Café und bestellten Eis, oder sie gingen auch, wenn Morel Zeit hatte, in irgendein Theater, sei es ins Français, zu Debureau oder zu den Variétés, aber niemals woanders hin, denn Morel verabscheute die Musik.
    An einem Tag gingen sie, nachdem sie an den Champs-Éysées gegessen hatten, in den Zirkus, um sich ein wenig beim Anblick biegsamer Körper, von Pferden, die über Hindernisse springen, und von kräftgen Schenkeln der Frauen, die auf ihnen reiten, zu erholen.