JP Sartres  L'Âge de Raison


    Marcelle lebt mit ihrer Mutter zusammen, der Daniel galant eine Schachtel Bonbons mitgebracht hat. Nachdem sie die beiden endlich alleingelassen hat, dreht sich ihr Gespräch eine ganze Weile um belanglose Dinge, während die eigentliche Hauptsache, Marcelles und Mathieus Problem, bei dem sie in Gedan- ken die ganze Zeit sind, die Geldbeschaffung für eine Abtreibung, zunächst un- ausgesprochen bleibt. Marcelle gibt sich fast mädchenhaft und ein wenig kokett. Sie holt ein Foto hervor, das sie als Achtzehnjährige zeigt. Daniel schmeichelt ihr, obwohl er wegen ihres Verhaltens innerlich gereizt ist. Schliesslich lässt er mit seiner Frage, ob sie Mathieu keinen Vorwurf mache, erkennen, dass er Bescheid weiss. Er will von ihr wissen, ob sie und Mathieu darüber gesprochen hätten, dass er Daniel wegen Geld angehen wollte, was Marcelle verneint, er habe sie nur nachträglich wissen lassen, dass Daniel das Geld nicht habe. Nun wird dieser ganz offen; brutal erklärt er, dass er ihm die 4000 Francs sehr wohl hätte geben können, da er durch einen Gewinn gerade 15000 Francs zur Verfügung habe.
    Er fragt sie mit einem Hintergedanken, ob sie wirklich will, dass er ihr und Mathieu das Geld gibt; damit zielt er auf ihre Schwachstelle, dass er sie nie gefragt hat, ob sie wirklich die Abtreibung wolle, oder ob sie das Kind vielleicht behalten will. Es war eine vor langer Zeit getroffene Abmachung, dass sie keine Kinder wollten, und dass sie diese Abmachung einhalten will, ist ihr einziges Argument. Endlich hat Daniel sie da, wo er sie haben will, um die Erniedrigung perfekt zu machen, als sie schliesslich gesteht, dass sie das Kind behalten will; man muss es jetzt nur noch Mathieu sagen. Wenn sie es ihm nicht sagen will, dann wird er es tun, und er wird ihm auch sagen, dass sie die Sache gemeinsam besprochen hätten. Marcelle ist am Boden zerstört, so wird zu allem noch herauskommen, dass sie und Daniel sich regelmässig getroffen haben, was sie vor Mathieu geheimgehalten haben.

    Mathieu will sich mit Boris und Ivich treffen, die ins Sumatra gegangen sind, ein Tanzlokal, in dem auch Lola auftritt. Auf dem Weg dorthin wiederholt er immer wieder für sich "ich bin erledigt" ("un type foutu"). Er setzt sich zu ihnen an den Tisch, und von den letzten ihm noch verbliebenen fünfhundert Francs spendiert er ihnen Champagner für 300. Er spürt zwischen sich und den beiden die Schranke des Alters, sie sind untereinander ungezwungen, so wie sie ihm gegen- über nie sind [Anm.: sie sind Geschwister!], vor allem Ivich wirkt verschlossen, wenn sie sich ihm zuwendet. Er sucht ihr zu gefallen; ihr Sinn steht aber danach, sich zu betrinken, da, wie sie meint, dies ihr letzter Abend sei, da sie bestimmt durchgefallen sei und aus Paris weggehen müsse.
    Nach dem Auftritt einer Nackttänzerin wird als nächste Darbietung "Lola Montero" angekündigt. Sie singt zuerst das Seemannslied Johnny Palmer und dann aus der Dreigroschenoper "Un navire de haut bord trent' canons aux sabords..." Danach kommt sie an den Tisch der Freunde. Sie beklagt sich über die Gäste, sie habe gleich auf den ersten Blick gesehen, dass es ein schlechtes Publikum sei. Nachdem sie mit Boris auf der Tanzfläche verschwunden ist, fordert auch Ivich Mathieu zum Tanz auf. Sie ist zwar betrunken, tanzt aber dennoch, wie er feststellt, "wie eine Professionelle".