Nachdem ich die ersten einhundert Seiten des Romans gelesen hatte, bin ich noch einmal zum Anfang
zurückgegangen, zu Balzacs Einführung in die Roman- handlung, der Darstellung der Ausgangssituation,
um mir seine Ausführungen zu dem historischen Hintergrund als auch den besonderen Begleitumständen ins
Gedächtnis zurückzurufen, die für die Handlung von Bedeutung sind, eine hoch- dramatische
Handlung, dank der der Roman sich etwa so liest wie ein Abenteu- erroman von J.F.Cooper, oder, wenn ich dem
Nachwort folge, von Walter Scott.
Der Titel des ersten Kapitels, Der Hinterhalt, deutet es schon an, worum es in dem Roman
geht: um einen bewaffneten Konflikt, um Kampfhandlungen zwischen feindlichen Parteien mit einem
bedeutsamen historischen Hintergrund. Es ist das Jahr VIII der Französischen Republik, zehn Jahre nach der Revolution,
unter dem Direktorium musste die Republik an ihren Aussengrenzen, am Rhein und in Italien, eine Reihe militärischer
Rückschläge hinnehmen, während man in Paris auf die Rückkehr Bonapartes aus Ägypten wartet,
und im Innern befindet sie sich durch die antirevolutionären Aufstände in den ländlichen Regionen im
Nord- westen Frankreichs, in der Vendée und der Bretagne, in grosser Bedrängnis: das Ziel der
Chouans – so nennen sich die royalistischen, auf dem Lande operieren- den bretonischen Aufständischen
– ist es, mit Unterstütztung von nach England emigrierten Adeligen sowie des Klerus die alte Ordnung, das
Königtum und die Macht der Kirche, wiederherzustellen.
Ein weiterer Begriff, der erklärt werden muss: der Gars. Was bzw. wer sich dahinter
verbirgt, wird im Verlauf der Handlung eine grosse Rolle spielen. So wird nämlich der geheimnisvolle Anführer
der Aufständischen genannt, dessen Identi- tät zunächst völlig im Dunkeln liegt, was zu Mutmassungen
und Verdächtigungen Anlass gibt sowie zu Bemühungen und Versuchen, das Geheimnis um ihn zu lüften,
bis seine Identität schliesslich aufgedeckt wird. Zur Herkunft und Bedeu- tung des Wortes Gars,
von dem sich auch der "garçon", "garce" u.a. herleiten, zieht Balzac noch zur Erläuterung die Etymologie
heran: es leitet sich aus dem Gälischen bzw. Keltischen ab und bedeutet soviel wie "kampfeslustiger Bursche".
Ort der Handlung ist die Region der Bretagne mit dem Städtchen Fougères, wo die Departements
Ille-et-Vilaine und Maine aneinader angrenzen. Von dort hatten sich Ende September 1799 oder nach dem
Revolutionskalender im Vendémiaire des Jahres VIII ein wild zusammengewürfelter bunter Haufen von
etwa einhundert Bauern zusammen mit einer Anzahl weiterer Bürger auf den Weg gemacht, die Bauern meistens
barfuss, mit langen, in Strähnen herab- hängenden Haaren, mit wollenen Kappen ähnlich den phrygischen
Mützen, und vom Hals bis zu den Knieen mit Ziegenfellen bekleidet; von ihnen hoben sich die im wahrsten Sinn
des Wortes "betuchteren" Bürger mit ihren farbigen Westen, Städter in Fräcken oder Gehröcken
aus blauem oder grünem Tuch und mit runden Hüten oder Mützen, einige trugen eine sogenannte
Jakobinerjacke, scharf ab. Sie hatten Stiefel an den Füssen und schwenkten Spazierstöcke, während
die Bauern allesamt dicke Knotenstöcke mit darangehängten leinenen Vorratssäcken über der
Schulter trugen.