Honoré de Balzac  Die Chouans

    Da sich gezeigt hatte, welche Gefahren bei einer Fahrt durch dieses Gebiet lauerten, wurde beschlossen, sich zu dem abseits der Landstrasse gelegenen Herrensitz La Vivetière zu begeben, einem in dem Krieg teilweise zerstörten, fast zu einer Ruine verfallenen Schloss. Nachdem der junge Herr der Mademoiselle de Verneuil sein Geheimnis offenbart hatte, nämlich der Marquis de Mortagne, ein Führer der Königsjäger, zu sein, verlangte er, auch ihres zu erfahren. Da sie die Situation als zunehmend bedrohlich empfand, verlangte sie von ihm, für ihre Sicherheit zu garantieren. Bald wurde klar, dass sich bei dem Schloss eine Schar von Chouans versteckt hielt, die den "Blauen" gegenüber in der Überzahl war.

    Bei ihrem Erscheinen wurden die Neuankömmlinge von Rufen empfangen: "Es ist der Gars!" Jedoch witterten die im Saal versammelten Edelleute beim Anblick der Soldaten in den blauen Uniformen Verrat, und der Marquis musste sie beruhigen, sie hätten auf der Reise ihren Schutz gewährleistet. Als Madame du Gua ein hässliches Bild von der Mademoiselle de Verneuil zeichnet, sie sei von Paris geschickt worden, den Marquis zu betören, nehmen diese sich immer dreister Abfälligkeiten ihr gegenüber heraus. Durch das entschiedene Eingreifen des Marquis scheint die Achtung vor ihr zunächst wiederhergestellt.

    Unterdessen hat Francine draussen die Vorbereitungen für den Angriff auf die Regierungssoldaten entdeckt, die unter der Führung von Marche-à-terre getroffen werden, und stellt ihn zur Rede. Sie versucht ihm ein Versprechen abzutrotzen, das Leben ihrer Herrin zu retten. Als die Soldaten eintreffen und sich von der auf dem Hof herrschenden Ruhe täuschen lassen, begeben sich zwei Offiziere zu der Tischgesellschaft im Haus; die Gäste erwecken, obwohl sie auf Anweisung von Madame du Gua ihre Waffen abgelegt und versteckt hatten, wegen ihrer Erscheinungsbilder und ihres Benehmens ihren Argwohn. Die Stimmung im Saal kippt, als ein Neuankömmling, der die junge Frau unverschämt mustert, seinem Nachbarn einige Worte ins Ohr flüstert, die von Gast zu Gast weitergegeben werden, bis sie den Marquis erreichen. Dieser richtet einen tödlichen Blick auf sie, denn man hat sie bezichtigt, eine Hure zu sein.
    Zur selben Zeit werden draussen die "Blauen" von den Chouans nieder- gemetzelt. Von den beiden Offizieren, die bei den Schüssen hinausstürzen, wird einer, Hauptmann Merle, zunächst mit der Absicht verschont, ihn mit einem weissen Handschuh versehen freizulassen.

    Im Innern des Hauses wird Marie de Verneuil durch Madame du Gua, die sich mit der Anschuldigung, sie habe vor, den Gars der Republik auszuliefern, auf sie stürzt und ihr das Kleid aufreisst, um einen verborgenen Brief an sich zu bringen, durch das Entblössen ihrer Brust vor aller Augen weiter aufs tiefste gedemütigt; in dem Brief werden der Bürgerin Marie Verneuil Hilfe und Beistand durch die örtlichen Vertreter der Republik zugesichert. Sie entgeht knapp dem Schicksal, einem der Chouans als Beute überlassen zu werden, nachdem auch Merle exekutiert worden ist und ihr an seiner Stelle von Marche-à-terre der weisse Handschuh, der Passierschein in die Freiheit, übergeben wird.